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Koch Media legt mit der zweiten Staffel der britischen TV-Serie "Für alle Fälle Fitz" einige Perlen der niveauvollen Fernsehunterhaltung vor. Fitz ist Psychologe. Doch gerade sein eigenes Leben scheint ihn vor unlösbare Probleme zu stellen. Er ist Alkoholiker, Kettenraucher, Zyniker, spielsüchtig und fettleibig. Zudem ist seine Ehe dabei, seinetwegen zu zerbrechen. Nach der bereits brillanten ersten Staffel sind es nun drei weitere Fälle, die nicht nur seinen Intellekt auf die Probe stellen.
Auch dieses DVD-Set besteht aus insgesamt drei DVDs mit je einem Fall. Bonusmaterial sucht man leider vergebens, was sehr schade ist. Zumindest ein Interview mit Serienerfinder Jimmy McGovern oder den Hauptdarstellern wäre schön gewesen. Die Bild- und Tonqualität ist in Ordnung, auch die englische Tonspur ist enthalten, um Fitz in der Originalfassung - inklusive des wunderbaren englischen Sprachwitzes - genießen zu können.
Kalte Rache (To Be A Somebody)
Der Tod seines über alles verehrten Vaters hat den ungewöhnlich gebildeten Arbeiter Albie Kinsella schwer erschüttert. Als er nach der Nachtschicht mit einem pakistanischen Ladenbesitzer wegen vier Cent in Streit gerät, brennt bei ihm eine Sicherung durch. Er geht nach Hause, schert sich eine Glatze und kehrt mit dem Militärmesser seines Vaters in den Laden zurück, wo er den Besitzer kaltblütig ersticht. Chief Inspector Bilborough und sein Team nehmen die Ermittlungen auf. Sie gehen jedoch irrigerweise von einem rein rassistischen Motiv aus und konzentrieren sich auf die rechte Szene Manchesters. Fitz, der sich mit Bilborough zerstritten hat, kommt dem wahren Motiv nahe, wird jedoch von der Polizei abgewiesen. Erst als ein Uni-Dozent, der ein archetypisches Täterbild mit rechtem Hintergrund erstellt hat, von Albie umgebracht wird und dieser außerdem eine Boulevard-Journalistin bedroht, sieht Bilborough seinen Fehler ein und holt Fitz zurück. Doch Albie hat inzwischen ein Ziel: Er will Rache für das Unglück von Hillsborough, bei dem 96 Menschen in einer Massenpanik ums Leben kamen. Genau so viele sollen sterben. Und das nächste Opfer soll Chief Inspector Bilborough sein.
Alleine das thematische Spektrum, das Drehbuchautor und Fitz-Erfinder Jimmy McGovern in dieser Folge abdeckt, ist erstaunlich: Die Hillsborough-Katastrophe 1989, die rechte Szene in den britischen Arbeiterstädten und die zerbrechende Ehe von Fitz - alles findet angemessenen Platz in diesem genialen Skript, das zu den drei besten der gesamten Serie gezählt werden kann. Darüber hinaus markiert "Kalte Rache" mit dem dramatischen Ausstieg eines der Hauptcharaktere einen Wendepunkt der Serie. Diese Episode ist wegweisend, diese Episode ist genial!
Teuflische Verführung (The Big Crunch)
Die schüchterne Joane hat ein Verhältnis mit ihrem Schulleiter, dem Laienprediger Kenneth Trant. Als sie von ihm schwanger wird, möchte sie die Beziehung öffentlich machen. Trants Frau versucht dies zu verhindern, indem sie das Mädchen bei sich im Haus einsperrt und pseudoreligiösen Handlungen aussetzt, die Joanes Willen brechen sollen. Währenddessen fühlen sich Fitz und Penhaligon immer mehr zueinander hingezogen und beginnen schließlich ein Verhältnis miteinander.
Nach der ungemein starken vorangegangenen Folge fällt diese hier, zumindest in Bezug auf den behandelten Kriminalfall, merklich ab. Zumal das Motiv des Verbrechens unter dem Deckmantel der Gläubigkeit nicht sonderlich neu ist. Doch dieses erste, nicht von Serienerfinder Jimmy McGovern verfasste Szenario weist andere Stärken auf. So steht nicht der Fall an sich im Mittelpunkt des Geschehens, sondern die sich entwickelnde Beziehung zwischen Fitz und Penhaligon. "Teuflische Verführung" ist daher absolut relevant für die Kontinuität der Serie und die Entwicklung ihrer Hauptcharaktere.
Männerphantasien (Men Should Weep)
Floyd ist ein junger Farbiger, der weiße Frauen vergewaltigt, seine Spuren jedoch gut zu verbergen weiß. Durch seine Erfolge wagemutig geworden, nimmt er sogar telefonischen Kontakt mit Fitz auf, der mittlerweile auch für eine Radio-Talkshow arbeitet. Nachdem Floyd von einem Beamten des Sozialamtes in seinen Augen beleidigt wurde, vergeht er sich auch an dessen Frau. Doch dann überschreitet er die Grenze und bringt sie anschließend um, weil er ihr sein Gesicht gezeigt hat. Damit wächst der Druck auf die Polizei und Beck und Penhaligon geraten in Streit darüber, ob Frauen sich nicht einfach freiwillig vergewaltigen lassen. Fitz erlebt währenddessen eine Überraschung der anderen Art: Seine Frau Judith ist nach Hause zurückgekehrt, und sie ist von Fitz im fünften Monat schwanger. Doch dann geschieht etwas Schreckliches: Penhaligon fällt selbst einem Vergewaltiger zum Opfer.
Die letzte Folge beendet die zweite Staffel von "Für alle Fälle Fitz? mit mehr als nur einem Knall und kann sich damit problemlos auf eine Stufe mit "Kalte Rache" stellen. Zum einen ist "Männerphantasien" ein enormer Sprung in der Entwicklung aller Hauptcharaktere: Sei es nun Fitz? bevorstehende Vaterschaft oder Penhaligons Vergewaltigung - wobei schon sehr bald der Verdacht entsteht, dass der Täter aus ihrem nächsten Umfeld stammt. Schließlich kulminiert die Episode in einem gewaltigen Cliffhanger, als Penhaligon auf ihren vermeintlichen Peiniger schießt und den Zuschauer fassungslos in Erwartung der dritten Staffel zurücklässt. Doch abseits dieser Geschehnisse ist es auch das Verbrechen, das den Zuschauer fesselt. Vergewaltigung ist ein heikles Thema, und diese Folge kann dem Zuschauer sehr nahe gehen, zumal lieb gewonnene Hauptcharaktere direkt betroffen sind. "Männerphantasien" ist sehr gut geschrieben und inszeniert, jedoch nicht für sanfte Gemüter geeignet.
"Für alle Fälle Fitz" ist britischer Serienkult - und das zurecht. Die vorliegende zweite Staffel kann als Höhepunkt dieser Serie betrachtet werden, enthält sie doch mit "Kalte Rache" und "Männerphantasien" zwei ihrer besten Folgen. Robbie Coltrane bietet, ebenso wie der Rest der Hauptbesetzung, eine grandiose schauspielerische Leistung. Vor allem Geraldine Somervilles Darstellung von Jane Penhaligon ist brillant. Für Leute, die langsame, psychologische Krimis mögen, ist "Fitz" ein Pflichtkauf. Menschen mit sanftem Gemüt sollten jedoch von dieser Serie die Finger lassen.