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Sie hat vergessen, wer sie ist. Woher sie kommt und was sie will. Niemand sieht sie, niemand reagiert auf sie, keiner wartet auf sie. Sie wandert durch die Stadt, auf der Suche nach sich selbst, nach einem Ort, den sie wiedererkennt. Verloren sucht sie Erinnerung.
In den Randbezirken der Stadt scheint sie sich selbst zu finden. Sie erinnert sich - an nichts. Aber sie hat ein Ziel. Sie folgt diesem inneren Drang und steht eine Weile vor dem kleinen Haus und wagt nicht, hineinzugehen. Findet sie sich, die Erinnerung an ihr Leben, einen Menschen, der sie kennt?
Der alte Mann starrt auf den Fernseher. Er hört das Knarren der Dielen unter ihren Füßen und dreht sich um. Erstaunen, Erschrecken und Angst erfüllen das alte Gesicht. Auf seiner Stirn leuchtet das Zeichen. Sie kommt zaghaft näher und berührt seine Stirn.
Die Gerichtsmedizinerin kann nicht feststellen, woran der alte Mann gestorben ist. Seine Adern sind zwar verkalkt, nach ihrer Erfahrung hätte er aber noch zwanzig Jahre damit leben können. Nichts erklärt seinen Tod. Sie notiert Herzversagen und will sich gerade abwenden, da sieht sie das schwache Zeichen auf seiner Stirn. Seltsam, es war ihr vorher nicht aufgefallen. Sie nimmt das Skalpell und öffnet die Haut der Stirn. Darunter leuchtet das Zeichen deutlich und wie in die Kopfhaut eingebrannt. Unerklärlich.
Sie wandert weiter. Auf der Suche nach einem Sinn. Warum sieht sie die Zeichen auf den Stirnen der meisten Menschen? Warum wird sie zu bestimmten Menschen hingezogen? Sie folgt der inneren Stimme zu weiteren Menschen, die sie berührt. Einzig die Gerichtsmedizinerin scheint sie zu spüren, hat aber Angst, sich das einzugestehen. Die Ärztin untersucht die Opfer, die sie berührt hat, kann sich die Tode aber nicht erklären. Sie folgt der Ärztin und beobachtet sie - ist sie ihr Ziel, ist sie ihre Erinnerung?
Irgendetwas verbindet die Opfer, das fühlt die Medizinerin genau. Doch eine unbestimmte Angst erfüllt sie. Niemand wird ihr glauben. Sie fühlt sich beobachtet. Eine junge Frau taucht in ihrem Gesichtsfeld auf und verschwindet wieder. Diese Frau ist die Lösung, das weiß sie. Aber will sie die Lösung erfahren? Sie hat Angst.
Warum beobachtet sie diese Frau? Kann sie ihr Erinnerung und Sinn geben? Die vielen Menschen, zu denen sie gegangen ist. Hat sie sie getötet, oder warteten sie bereits? Ist sie Botin oder Mörderin? Sie muss es herausfinden.
Die düstere Geschichte kreist um zwei Frauen. Eine unbekannte junge Frau ohne Erinnerung und die Gerichtsmedizinerin, die diverse Todesfälle, die mit der jungen Frau zu tun haben, untersucht. Grafisch werden diese zwei Erzählstränge separiert durch den gänzlich unterschiedlichen Schrifttyp. Wirken die Zeichen, die der jungen Frau zugeordnet sind, wie in Wachs gekratzt, sind die andern Zeichen wie von einer alten Schreibmaschine stammend.
Die dunkle, mystisch anmutende Geschichte wird veredelt und illustriert durch ein künstlerisches, in Sepia-Tönen gehaltenes, Artwork. Hierzu wurden Fotos verfremdet und grafisch verändert. Die Wirkung, die erzielt wird, ähnelt einem "Film Noir". Zusammen mit der "gekratzten" Schrift entsteht der Eindruck, in einem Alptraum zu stecken und zwischen der Wirklichkeit und dem Jenseits zu pendeln. Hinzu kommen die Ahnungen der Protagonisten und die Andeutungen von Mord oder Unfall. Es ist nie klar, ob die Geschehnisse real oder traumhaft sind, ob die "Todesbotin" existiert, oder nur einem Engel - oder Teufel - gleich, in einer Zwischenwelt existiert. Menschen, die sie anfasst, reagieren käfergleich mit einer Art Erstarrung und nehmen sie nicht wahr, verhalten sich dann wieder normal, wenn sie sie los lässt.
Der dramaturgische Aufbau der Geschichte ist beeindruckend und beängstigend zugleich. Vor allem auf den letzten Seiten entsteht eine atemlose Spannung, die in einem fantastischen und logischen Ende mündet. Hier zeigt der Text seine tiefgreifendsten Momente und wird zu einem Stück Literatur.
In Aufbau, Gestaltung, Artwork und literarischer Geschichte ist "Signum Mortis - Erinys" einzigartig. Mir hat vor allem die grafische Umsetzung der Geschichte außerordentlich gut gefallen. Allerdings ist die depressive, traurige und dramatische Geschichte nichts für Zartbesaitete oder gar für Kinder. Sowohl das dräuende Unheil als auch die grafischen Versatzstücke sind hart und fast grausam. Wer einen Comic erwartet, wird bitter enttäuscht. Dies ist mehr eine künstlerische Arbeit, verbunden mit einer düsteren Geschichte. Einzig das Ende vermag Hoffnung und Urteil zugleich zu vermitteln und ist das Glanzstück des Bandes von Thorsten Felden und Jan Meininghaus.
Ich finde keinen Kritikpunkt an diesem Werk. Doch muss dem Leser und Betrachter sowohl die Anmutung als auch die düstere Geschichte auf Anhieb gefallen, sonst wird er wohl enttäuscht die weiteren Seiten durchblättern und nach dem Sinn und der Botschaft des ganzen suchen.
Fazit: Dies ist ein künstlerisch höchst beeindruckendes Werk. Noch stärker als die Geschichte haben mich die Artworks beeindruckt. Wer Kunst gepaart mit packender Kriminalstory, angehaucht von mystischen Elementen mag, muss sich diesen Band kaufen, Leser von Asterix und Obelix würden allerdings erschaudern.