Media-Mania.de

 Drei Männer auf Bummelfahrt


Cover
Gesamt ++---
Anspruch
Aufmachung
Gefühl
Humor
Preis - Leistungs - Verhältnis
Spannung
Ton


George, J. und Harris planen, ihrem Alltagstrott zwischen Ehefrauen, Club und Beruf für eine Weile zu entkommen. Zu ihrer Überraschung sind ihre Frauen nicht nur nicht abgeneigt, sondern begrüßen ihr Vorhaben geradezu überschwänglich. Die drei fühlen sich fast genötigt, ihr Vorhaben durchzuführen.
So beschließen sie - ein wenig missmutig ob der Eilfertigkeit, mit der sie weggelobt werden -, eine Radtour durch Deutschland zu unternehmen. Von Hamburg führt die Route über Hannover, Berlin, Dresden, Prag, Nürnberg, Stuttgart und in den Schwarzwald. Hier wollen sie länger Land und Leute kennen lernen, ehe sie wieder den Zug nach Norden und nach Hause besteigen wollen. Da alle drei in mittleren Jahren sind, soll die Fahrt keine radlerischen Höchstleistungen bringen, sondern einzig der Kenntnis von Land und Leuten gewidmet sein.
Nachdem sie sich auf ein Tandem und ein Einzelrad geeinigt haben und die grobe Route festgelegt ist, brechen die drei Männer auf. Ihre Deutschkenntnisse sind ganz gut und sie sind nicht zum ersten Mal auf dem Festland. So kann eigentlich nichts mehr schief gehen.
Doch die drei wissen natürlich, dass genau das passieren wird. Denn jede Reise, die sie gemeinsam unternommen haben, endete für gewöhnlich in Chaos und kleineren Katastrophen. Aber vielleicht ist es ja genau das, was sie suchen. Die Überraschung, das Besondere und das Unvorhersehbare. Und schon auf ihren ersten Stationen beginnen die kleineren Unfälle und Geschehnisse den gewohnten Trott sehr schnell abzulösen. Eine denkwürdige Fahrt durch Deutschland beginnt.

Nach dem Welterfolg seines Buches "Drei Mann in einem Boot" aus dem Jahre 1889 schrieb Jerome Klapka Jerome 1895 eine Fortsetzung der Geschichte um die drei Freunde. Sie wurde jedoch kaum bekannt und war nicht mal in England ein Erfolg.
Und dies ist nachvollziehbar. Wer den leichten Humor des ersten Buches, die köstliche Ironie, mit der die drei Männer den Schrullen und Besonderheiten der Engländer begegnen, gelesen hat, ordnet Jerome ein als wundervollen Autor. Er beschreibt in diesem Buch aufs Köstlichste die Marotten seiner Landsleute. Aber seine Ironie ist nie verletzend, die Katastrophen und Geschehnisse immer mit einem Augenzwinkern versehen und luftig locker in Ton und Satzbau geschrieben.
Dies ist mitnichten so in dem vorliegenden Hörbuch "Drei Männer auf Bummelfahrt". Hier versucht Jerome die Deutschen aufs Korn zu nehmen und dieses Volk aus der Sicht seiner drei Protagonisten zu beschreiben und möglichst treffend zu charakterisieren. Das misslingt dem Autor völlig. Seine Beschreibungen sind meist sterbenslangweilig und fast durchgehend unlustig. An zwei oder drei Stellen mag der Hörer schmunzeln, aber meist ist man schlicht angeödet von der endlosen Litanei Jeromes. Anstatt die drei Männer und ihre Fahrt in den Mittelpunkt der Geschichte zu stellen, Land und Leute vorbeiflanieren zu lassen, schildert der Erzähler J. in den meisten Fällen, was er sich denkt. Und das ist furchtbar dröge. Nichts passiert in diesem Hörbuch, nichts Besonderes fällt dem Autor zu Deutschland ein.
Schlimmer noch, er wärmt einen derartig blödsinnigen Haufen Klischees auf und reitet auf scheinbaren deutschen Tugenden und Eigenheiten herum, dass es den Hörer fast anwidert.
So gelingt es Jerome beispielsweise, geschlagene zwölf Minuten über die Mensur, die studentischen Degengefechte zur Verstümmelung des Kommilitonen, herzuziehen. Diese Schilderung ist so übertrieben ekelhaft und so abscheulich blutig, gleichzeitig aber so unwahr und an den Haaren herbeigezogen, dass man fast weghören möchte.
Das Gefühl, dass der Autor die Deutschen nicht mag ist, überdeutlich. Wenn er von der Obrigkeitsliebe des Deutschen, seiner tiefen Gläubigkeit jedem Polizisten gegenüber berichtet, kann man nicht glauben, dass der Autor die Deutschen kennt. Wussten Sie, dass um die Jahrhundertwende vor jeder Brücke ein Polizist stand und den Deutschen erklärte, wie sie über dieselbe zu gehen haben und niemand über die Brücke zu gehen bereit war, wenn dort kein Polizist stand? Oder der Deutsche nicht mal ohne die Hilfe eines verstorbenen Polizisten in den Himmel gelangen kann, weil er alleine zu keiner Leistung oder gar Eigeninitiative fähig ist? Oder dass "die deutsche Frau" nach der Ehe fett, unansehnlich und nur der schlechten Kochkunst hörig ist? Oder dass der Deutsche unter Befehl stehend einen guten Kolonisten, niemals aber einen Siedler abgeben kann?
Dergleichen Klischees vom militärisch gedrillten, ansonsten aber unauffälligen Deutschen gibt es zuhauf.
Positiv fällt die Leistung des Sprechers auf. Hans Eckardt bemüht sich redlich, der Darstellung Humor und Leichtigkeit zu verleihen. Dies gelingt ihm streckenweise trotz der unlustigen Vorlage sogar. Sein lebendiger, variantenreicher Vortrag lässt viele Passagen annehmbar erscheinen, doch gegen die Vorlage kommt er - vor allem in der letzten halben Stunde der Produktion - nicht an.
Besonders gelungen ist die CD-Hülle mit festen Plastiktaschen, netten Hintergründen und informativem Text. Auch das Titelbild ist sehr passend ausgewählt.

Fazit: Trotz guten, sorgfältigen Layouts und eines exzellenten Sprechers: Die Vorlage ist so schlecht und unlustig, dass kein gutes Hörbuch daraus werden kann. Wer es dennoch mit Jerome Klapka Jerome versuche willn, sollte unbedingt "Drei Männer in einem Boot" hören oder lesen. Hier ist der Autor in Bestform. Wer dann mehr über die Protagonisten zu erfahren wünscht, kann sich "Drei Männer auf Bummelfahrt" anhören, wohlwissend, dass hier Niveau und Leichtigkeit der Darstellung stark zu wünschen übrig lassen.

Stefan Erlemann



CD | CD-Anzahl: 4 | Erschienen: 01. Mai 2006 | ISBN: 3896143603 | Laufzeit: 247 Minuten | Originaltitel: Three Men on the Bummel | Preis: 18,90 Euro

Werbung

Dieser Artikel könnte interessant sein:

Zu "Drei Männer auf Bummelfahrt" auf Amazon

Hinweis: Als Amazon-Partner verdiene ich an qualifizierten Käufen.



Ähnliche Titel
Her Royal Majesty's Collectors BoxNenn mich nicht IsmaelSchöne neue WeltUnd dann gabs keines mehrDas krumme Haus