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Eine kleine Reise in den Wahnsinn gefällig? Bret Easton Ellis, seines Zeichens bekannter Skandalautor von "American Psycho", nimmt seine Leser, und in diesem Fall auch seine Hörer, gerne mit. Machen Sie sich darauf gefasst nicht mehr erkennen zu können, was Wahrheit und was Fiktion, was Wahnsinn und was Ironie ist.
Bret Easton Ellis ist die Hauptfigur seines Romans, und er beginnt diesen Roman auch sehr autobiographisch, ja, man könnte sogar glauben, dass es sich hier um nichts anderes als seine Autobiographie handeln könnte. Er erzählt von seinen Romanen, von Drogenexzessen, von Lesetouren, bei denen ihm Betreuer beim Autogramme schreiben die Hand führen müssen, weil er so zu ist. Zwischendurch hat er eine Beziehung mit der bekannten Schauspielerin Jayne Dennis - eine Homepage existiert, ansonsten ist die Dame völlig fiktional. Aus dieser Beziehung gibt es einen Sohn namens Robby. Als Ellis kurz vor der absoluten Selbstaufgabe steht, gibt ihm Jayne Dennis eine weitere Chance, heiratet ihn, nimmt ihn bei sich in der schlimmsten vorstellbaren Vorstadt auf. Ellis geht auf Entzug, ist clean und lebt nun zusammen mit seiner kleinen Stieftochter Sarah und seinem zwölfjährigen Sohn Robby.
Es dauert nicht lange, da ist es mit dem Clean sein auch schon vorbei. Ellis besorgt sich einen Dealer, und der verkauft ihm nicht nur alles, was er so an Drogen braucht, sondern auch ein Stofftier, das Sarah unbedingt haben will, einen "Terby" - hässlich wie die Nacht, aber der Liebling der Kleinen. Sämtliche Mitglieder der Familie bekommen irgendeine Medikation mit Psychopharmaka, damit sie funktionieren, aber das ist in den besseren Kreisen normal.
Alles könnte einigermaßen gut gehen, aber ausgerechnet an Halloween ändert sich alles: Ellis schmeißt eine kleine Party, bei der er erstens nicht bei Amy Light landen kann, einer Studentin, die über ihn ihren Doktor machen will, bei der er zweitens völlig abstürzt, bei der drittens Sarah immer wieder zu ihm kommt und ihm erzählen will, dass der Terby sauer sei - und richtig, als Bret nachschaut, hängt der Terby an der Decke und ist ziemlich lebendig - aber als Krönung taucht viertens Patrick Bateman auf, die Hauptfigur aus "American Psycho".
Bald sieht Bret Eston Ellis mehr als nur ein Gespenst. Unheimliche Begegnungen sind aber nicht das Einzige: Was hat es mit Morden auf sich, die nach seinem erfolgreichsten Buch ablaufen, was ist mit den verschwundenen Jungen, und wie kommt man gegen Terby an?
Ein einfaches Urteil über diesen Roman kann man nicht mal eben treffen. Dazu besteht er aus zu vielen verschiedenen Teilen. Lunar Park - der Titel ist und bleibt quasi bis zum Ende ziemlich kryptisch, speziell, weil er nicht ins Deutsche übersetzt wurde - ist eine bösartige Satire auf Retalin, auf Markenkult, auf die Reichen Amerikas und natürlich auch auf Bret Easton Ellis. Lunar Park ist eine Gespenstergeschichte, deren Ideen auch von Stephen King kommen könnten, den Ellis vermutlich auch nicht umsonst das eine oder andere Mal erwähnt oder zitiert. Das, was man landläufig vom "Skandalautor" erwartet, also pornografische Einzelheiten und exzessive Gewalt, gibt es fast gar nicht - nur Drogen, die gibt es quasi auf Schritt und Tritt - was sich allerdings im Laufe des Buches abschwächt.
Die Frage, ob Lunar Park ein gutes, ein packendes, ein interessantes Buch ist, kann man die ersten CDs hindurch getrost verneinen, da ist einfach vieles zu abgeschmackt, zu ironisch und die ständigen Drogen nerven einfach nur. Durch die mysteriösen Vorfälle, durch die sich aufhäufenden Probleme baut sich dann durchaus eine Spannung auf, die sich dann bis zum Ende durch das Buch zieht. Irgendwann kommt allerdings ein veritabler Wahnsinn dazu, der das Buch nicht unbedingt einfacher zu hören, ja, auszuhalten macht. Da ist dann auch eine Menge Künstlerattitüde bei -
man muss ja auch nicht alles verstehen können! -, die dem Buch aber keinen besonderen weiteren Reiz geben kann. Nach einer sehr derben Satire wird ein brauchbarer Horrorroman aus einem Buch, das nicht so einfach zu klassifizieren ist. Ellis hat tolle Ideen, es gibt viele Szenen, die wirklich unheimlich sind, die nach dem Hören nachwirken, aber auch viele Dialoge, die schlicht und einfach vorführen, wie kaputt die Familie, wie kaputt aber vor allem der fiktive Bret Easton Ellis ist. Dialoge die nicht funktionieren, die nerven - man durchleidet dieses Buch.
Man hört dieses Buch dennoch, weil Wolfram Koch für den Argon Verlag eine couragierte Lesung abgeliefert hat, ein sicherlich hartes Stück Arbeit, und das nicht nur, weil die Länge immerhin zwölf CDs erforderte. Koch zeigt ein tolles Spektrum an Stimmfarben, spricht gut, nervt aber auch, und das gerade bei den Dialogen, die er mit viel Ironie, mit sehr gedehnter Sprechweise, mit aufgesetzten Gefühlen versieht. Einfach ein bisschen sehr viel Interpretation, weniger wäre da mehr gewesen.
Ein schön aufgemachtes Hörbuch, ein Abenteuer, auf das man sich einlassen muss, ein Stil, den man mögen muss.