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 In einer kleinen Stadt

Autoren: Stephen King
Übersetzer: Christel Wiemken
Verlag: Ullstein

Cover
Gesamt +++++
Anspruch
Aufmachung
Brutalität
Preis - Leistungs - Verhältnis
Spannung


Ein neuer Laden macht in Castle Rock auf und auf seinem Schild steht neben dem Namen der Slogan "Sie werden Ihren Augen nicht trauen!" Ein weiterer Trödelladen, so glauben die Einwohner von Castle Rock, und trauen ihren Augen. Tatsächlich wird das Geschäft des Besitzers, einem Leland Gaunt, ein voller Erfolg. Seltsamerweise gerät ab dem Moment, als er den ersten Kunden durch seine Tür lässt, die ohnehin angespannte Situation in der Stadt mehr und mehr außer Kontrolle. Es beginnt mit mit Schmutz beworfener Wäsche, eingeschmissenen Fenstern, geheimnisvollen Drohbriefen und Geschenken, in denen Rattenfallen versteckt sind. Dann geschehen die ersten beiden Morde, und Alan Pangborn, der Sheriff aus "Stark - The dark half", sieht sich einmal mehr einem mysteriösen, unbekannten Geschehen gegenüber, zu dem er keinen rechten Zugang findet. Alles scheint auf den neuen Laden als Ort des Unheils hinzuweisen, doch bevor Pangborn mit dem Besitzer reden kann, spitzen sich die Ereignisse zu und die ganze Stadt scheint, buchstäblich, zum Teufel zu gehen.
Auf ganzen 860 Seiten entfaltet King das Bild einer gestörten Kleinstadt: der Friede unter den Menschen ist nur oberflächlich sicher, und tiefe, abgründige Leidenschaften, Hass, Rache, sexuelle Obsessionen und Besitzgier richten darunter ihr zerstörerisches Werk an. Die Eröffnung des neuen Ladens lässt King wie einen Katalysator wirken: was der geheimnisvolle Leland Gaunt anrichtet, hat schon vorher existiert. Gaunt muss nur ein wenig an der Oberfläche kratzen, um die Menschen um den Verstand zu bringen. Zum Schluss entpuppt sich Gaunt natürlich als Dämon, aber das ist eher der leicht missglückte Abschluss eines brillanten Buches, denn bis dreißig Seiten vor dem Ende erzählt Stephen King, was unser wirklicher Horror ist: die Heimsuchung durch unsere eigenen, niederen Leidenschaften. Und das kann King sehr hinreißend. Der Roman ist mit vielen Personen und vielen Perspektiven besetzt und schafft so eine Erzählbreite, die man so nur noch bei "Es" und "The Stand" findet. Und obwohl die ganze Szenerie weit weniger grausam und weniger mystisch ist als bei diesen beiden Büchern, gehört es eindeutig zu jener Horrorliteratur, die zusätzlich über einen gnadenlos sezierenden Blick die Spannung ins Unerträgliche treiben kann.
Kings Werk zielt dabei auf einer tieferen Ebene auf den Zusammenhang zwischen der Ware als Fetisch und der Entfremdung der Menschen in der Konsumgesellschaft. Die Waren, die die Menschen in dem neuen Laden kaufen, befriedigen nicht nur kurzfristig ihre Bedürfnisse. Sie vernichten alle weiteren Wünsche, weil diese kleinen Waren so perfekt erscheinen. Doch statt damit zufrieden zu sein, fangen die Menschen an, sich davor zu fürchten, dass ihnen ihr kostbarer Gegenstand wieder geraubt werden kann. King schildert hervorragend das Misstrauen, die Angst, den Verlust des Miteinanderredens, der aus dieser Angst entsteht, und, ohne dass er psychologisches Wissen abschreibt, liest sich eine tiefe Kenntnis des Autors über krankhaft fetischistische Naturen mit. So ist über den Spannungsroman hinaus dieses Buch auch eine Illustration unserer entfremdeten Gesellschaft.
Es gibt viele hervorragende Werke von King und auch nicht ganz so tolle. Dieses Buch gehört meiner Meinung nach zusammen mit "Es" zu den besten. Das Ende, wie gesagt, schwächelt ein wenig, aber King hat es schön knapp gehalten und da es trotzdem stilistisch hervorragend geschrieben ist, kann man es mitnehmen, ohne enttäuscht zu sein.

Frederik Weitz



Taschenbuch | Erschienen: 01. April 2003 | ISBN: 9783548255538 | Originaltitel: Needful things | Preis: 9,95 Euro | 864 Seiten | Sprache: Deutsch

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