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Maries Mutter ist in Burkina Faso geboren, ihr Vater stammt aus Deutschland. Und heute ist ein großer Tag für Marie. Sie fliegt mit ihren Eltern zu ihrer Oma und ihrer Tante nach Afrika. Nach dem langen Flug über endlos scheinende Sandwüsten landen sie endlich in Burkina Faso. Hier ist alles anders. Es fahren zwar viele Autos, aber auch Eselskarren und Fahrräder durch die völlig überfüllten Straßen. Alles ist bunt und fröhlich. Und am nächsten Morgen fahren sie zum Dorf ihrer Oma. Hier gibt es keinen Strom, kein Wasser aus Wasserhähnen, keine Straßen oder Häuser. Unglaublich viele Menschen kommen, um Marie und ihre Eltern zu begrüßen. Es wird ein großes Fest gefeiert und Marie freut sich schon auf den nächsten Morgen. Dann werden sie auf den Markt gehen und sich ansehen, was die Menschen hier verkaufen und kaufen.
Issa ist sehr aufgeregt. Heute fliegt er nach Deutschland und besucht Marie. Noch nie war er von zu Hause fort und jetzt gleich so furchtbar weit. Es regnet in Deutschland und es ist kühl. Noch spannender findet Issa aber die rollenden Treppen im Flughafen. Am liebsten würde er endlos hinauf und wieder hinunter fahren. Alles ist voller Autos und riesiger Häuser. Am nächsten Tag geht er mit Marie zu einer Geburtstagsfeier. Zur Überraschung von Issa feiern die Kinder im Zoo. Er staunt über die vielen Tiere dort, auch eine Giraffe hat er noch nie gesehen. Doch beim Fußballspiel stellt ihm jemand ein Bein und die anderen Kinder lachen über ihn. Er läuft weg. Mitten in der Stadt sieht er eine Rolltreppe, die in den Erdboden führt und er fährt hinab. Was die Menschen wohl dort unter der Erde machen. Plötzlich fühlt er sich entsetzlich allein und er weint. Doch die Nachbarin von Marie ist mit einem Mal neben ihm und nimmt ihn in die Arme. Und dann fahren sie so lange Rolltreppe, bis Issa keine Lust mehr hat.Dieses Kinder-Lesebuch ist zweigeteilt. Von der einen Seite erzählt Marie von ihrem Besuch in Afrika, von der anderen Seite, man muss das Buch dafür auf den Kopf drehen, erzählt Issa von seinem Besuch in Deutschland. Den Geschichten vorangestellt ist eine Doppelseite, auf der das Heimatland des erzählenden Kindes kurz skizziert und als Karte dargestellt wird.
In der Mitte befindet sich ein doppelseitiges Bild, das beide Kinder auf einer Wiese liegend zeigt und das aus beiden Orientierungen anschaubar ist.
Der Text beider Geschichten ist einfach, enthält aber eine Fülle an Informationen und Emotionen. Die Geschichten eignen sich zum Vorlesen und zum selber lesen, allerdings sollte das Kind bereits gut lesen können, denn Satzbau und Wortwahl sind recht anspruchsvoll.
Die Bilder sind detailreich und liebenswert. Allerdings wirken sie auch etwas naiv und auffallend ist, dass alle Kinder und Personen eher braun als hell- und dunkelhäutig sind. Sie gefallen den zuschauenden Kindern gut, es gibt eine Menge darauf zu entdecken. Aber leider bleiben Begeisterungsstürme eher aus. Die Bilder wirken eher für Erwachsene als für Kinder gemalt, sie scheinen eher wie aus einem Reisebilderbuch entnommen.
Gelungen ist die Idee der unterschiedlichen Blickwinkel. Die erzählenden Kinder erleben die Welt des anderen Kindes als eine völlig fremde und äußern dies auch recht deutlich. Anders ist es naturgemäß mit den betrachtenden Kindern. Sie entstammen im Regelfall der Welt Maries und empfinden nur Issas Welt als neu und aufregend. Die Welt Maries ist bekannt und ohne Überraschungen dargestellt und in Bilder gefasst. Hinzu kommt, dass die Geschichten nicht symmetrisch erzählt sind.
Ist es im Reisebericht Maries ein Zuwenig, das auffällt, beeindruckt Issa das Zuviel. Klischeehaft werden die Afrikaner als bunt gekleidet, fröhlich, gastfreundlich und arm charakterisiert. Ihre Welt ist staubig, ohne die Errungenschaften, die dem deutschen Kind als normal erscheinen. Es entsteht beim betrachtenden Kind in Deutschland der Eindruck, dass es in Afrika an allem mangelt und die Menschen dies mit Gleichmut und guter Laune ertragen. Im Fall Issas ist es der Schock über Rolltreppen, Autos, Fußgängerampeln und Lärm, der dargestellt wird. Hier ist es das "ausgestoßen fühlen", dass vermittelt wird. Niemand versteht Issa, er ist ganz allein, alle Menschen laufen wie isoliert herum und an ihm vorbei. Dies wird nur in Issas Geschichte thematisiert. Beim betrachtenden Kind festigt sich der Eindruck, das Afrikaner hier fremd sind, die Umwelt unfreundlich und ihnen feindlich gesonnen ist und sie in die Geborgenheit der Familie zurückwollen.
Diese Klischees und Bilder Afrikas und Deutschlands werden nicht hinterfragt und stehen als "Wahrheiten" im Raum. Eindeutig ist dieses Buch von Deutschland aus mit dem Blick auf Afrika geschrieben worden - auch in der zweiten Geschichte. Das Maß der Dinge ist Deutschland, die Lebensumstände hier werden als Norm dargestellt, die in Afrika als rückständig.
Fazit: Das nett gezeichnete und mit zwei spannenden Geschichten versehene Bilderbuch ist eine gute Idee. Dem Kind neben dem Blickwinkel des Europäers auch den des Afrikaners zu verdeutlichen lobenswert. Leider vermittelt dieses Buch aber viele Klischees, die es aufheben wollte. Es festigt sich im betrachtenden deutschen Kind der Eindruck, in der "normalen Welt" zu leben und das afrikanische Kind in der "rückständigen Welt".
Als Bilderbuch sehr gelungen, als Lesebuch spannend und unterhaltsam, scheitert es als Aufklärungsbuch.