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 Das Mädchen von nebenan


Cover
Gesamt ++++-
Anspruch
Aufmachung
Brutalität
Gefühl
Humor
Preis - Leistungs - Verhältnis
Spannung


Nina ist fünfzehn und hat ihr erstes Date. Der Nachbarsjunge geht mir ihr ins Kino, fasst sie aber nicht an. Enttäuscht geht sie nach Hause, es ist schon dunkel. Im Haus brennt kein Licht und sie schleicht leise in die Küche. Sie macht das Licht an. Ihr Vater kniet über ihre Mutter gebeugt da und schaut Nina an. Er steht hastig auf und will seine Tochter hinaus führen. Doch Nina hat alles gesehen. Mit einem Blick hat sich ihr unauslöschlich ins Gedächtnis gebrannt, was ihr Vater vor ihr verbergen wollte: Ihre Mutter liegt blutüberströmt auf dem Boden. Überall ist Blut und ein Messer liegt neben ihr. Sie rutscht in der Blutlache aus und es wird dunkel um sie.
Der Prozess, die Verhöre und die nächsten Wochen vergehen wie in Trance - nichts ist mehr wie es war, wird nie wieder so sein.

Fünfzehn Jahre sind vergangen und erneut befindet eine Kommission über das Gnadengesuch von Duncan Avery, Ninas Vater. Da er einem Häftling das Leben gerettet hat und der Gefängnisarzt sich ausdrücklich für den Mann einsetzt, scheint eine Begnadigung möglich. Nur die entschiedene Ablehnung von Patrick, dem ältesten Sohn von Duncan, steht dem entgegen. Er ist - trotz der Unschuldsbeteuerungen seines Vaters - überzeugt, dass Duncan seine Frau umgebracht hat. Jimmy, der jüngere Sohn, ist nicht zugegen und äußert sich seit fünfzehn Jahren nicht zu dieser Frage, hat sich aber auch nicht um den Verurteilten gekümmert. Nur Nina, die Jüngste, glaubt an die Unschuld ihres Vaters und hofft wider besseres Wissen auf seine Begnadigung.
Zum Entsetzen von Patrick stimmt die Kommission dem Gesuch nach und entlässt Avery in die Freiheit. Er zieht zu Nina, will aber schnellstmöglich in seine Heimatstadt, wo Jimmy und Patrick leben. Ihm schlagen dort Ablehnung und blanker Hass entgegen. Auch Nina versteht ihren Vater nicht - was will Duncan Avery wirklich?

Patricia MacDonalds Stärke sind psychologische Details und ausgefeilte Charakterstudien der in den jeweiligen Mordfall verwickelten Personen. Es kommt ihr weniger auf die Tat, die Ermittlung oder die Überführung des Täters an, als vielmehr auf die Beweggründe, die Umstände, die zur Tat führten, und vor allem die Folgen, die diese Tat auslöst.
Der neue Roman der Bestsellerautorin ist ein Musterbeispiel für diese Herangehensweise. Die Tragik der Ereignisse, die schrecklichen Folgen für die Familie des Täters und des Opfers, die Folgen für Freundschaften, Liebschaften und die psychologisch fundiert geschilderte Entwicklung aller Beteiligten ist im Mittelpunkt der Beschreibungen und Ausführungen. Mit trockenem, knappem Stil, wenigen Abschweifungen und Nebensächlichkeiten ist immer die Gefühlsebene der Menschen im Mittelpunkt der Geschichte.
Sämtliche Personen sind exakte und sehr realistisch wirkende Charakterstudien. Dieser Aspekt wirkt eher romanhaft und weniger in eine Krimihandlung passend. Hier liegt auch der einzige "Schwachpunkt" des Buches. Der eigentliche Fall, die Ermittlung sind nebensächlich und weniger interessant. Dies ist jedoch - wenn man nicht eine solche Ermittlung erwartet - kein wirkliches Manko, sondern die Stärke dieses Buches. Es hebt sich wohltuend von diversen Kriminalromanen ab, denen Morde, Untersuchungen, Autopsien und Action wichtiger sind als fundierte Charaktere, fein gesponnene Dialoge, tragische Geschehnisse und psychologisch stimmige Szenarien.
Schwach ist an diesem Buch nur, dass das Ende keine Überraschung ist und dem aufmerksamen Leser bereits sehr früh bekannt sein dürfte. Auch ist der Klappentext zu ausführlich und erläutert die Handlung bis weit über die Mitte des Buches hinaus, nimmt sogar einige wichtige "Überraschungen" der Handlung vorweg - ihn zu lesen ist ein schwerer Fehler.

Fazit: Diese Autorin - so sie Ihnen noch nicht bekannt sein sollte - ist ein echter Geheimtipp. Neben einer fein ersonnenen Geschichte, die tragischer und realistischer kaum sein könnte, sind es vor allem die äußerst genauen Charakterstudien, die begeistern. Wer keine actiongeladenen Detektivromane braucht und sich lieber in die beschriebenen Menschen einfühlen möchte, sollte dieses Buch einmal zur Hand nehmen - es ist emotional mitreißend und spannend zugleich.

Stefan Erlemann



Taschenbuch | Erschienen: 01. Juni 2006 | ISBN: 3423245417 | Originaltitel: The Girl Next Door | Preis: 14,50 Euro | 315 Seiten | Sprache: Deutsch

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