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1968 - Oswald Kolle ist in aller Munde. Aufklärung ist ein Schimpfwort und niemand, wirklich niemand traut es sich, öffentlich von Geschlechtsverkehr, Ejakulation und Kamasutra zu reden. Nur Robert Gernhardt, F. K. Waechter und F. W. Bernstein beschließen, sich dem "Wunderland der Triebe" ernst und behutsam zu nähern. Es entsteht ein
"tönender Sexreport" - eine Mischung aus ernstem Vortrag und höchst albernen Zwischeneinlagen.
2006 - Oswald Kolle ist Geschichte und kaum jemand kennt ihn noch. Seine Art der Aufklärungsfilme sind in den Schubladen der untersten Kommode auf dem Speicher verschwunden. Doch Rettung naht. Der Verlag "Antje Kunstmann" presst die Schallplatte, die 1968 als Beilage der Zeitschrift Pardon erschien, auf CD.
Zunächst eine unmissverständliche Warnung: Personen unter achtzehn Jahren dürfen sich diesen "tönenden Sexreport" nicht anhören. Bitte verlassen Sie unverzüglich den Raum.
Wir werden uns den Themen Geschlechtsverkehr, erogene Zonen, Ejakulation, Triebstau und Kenntnis der wichtigsten Stellungen behutsam nähern.
Zunächst einmal ist es möglich, dass eine Erektion entsteht, wenn ein Mann eine schöne Frau sieht. Diese Erektion ist meist umsonst und nutzlos - wie wird sie der gesunde Mann aber wieder los? Nun, man(n) kann erbauliche Lieder singen oder sich kalt abduschen. Man kann aber auch Holz hacken oder ein Instrument, beispielsweise ein Cello, spielen. Oder - und das ist sicherlich die beste Lösung - alles auf einmal tun!
In dieser Art und Weise vergehen die achtundvierzig Minuten dieser CD wie im Fluge. Der herrlich ernste Kommentar wird immer wieder auf das Vergnüglichste konterkariert durch Einspielungen größter Albernheit und durch eine freche Wortwahl, die 1968 sicherlich einigen Zuhörern die Zornesröte oder gar die Röte der Scham auf die Wangen trieb. Ob dies allerdings auch im Jahre 2006 noch funktioniert, ist zumindest fraglich. Das ist, als ob man zum achtzehnten Mal eine Otto-Show (deren Texte größtenteils von eben jenem Autorentrio stammen, die diesen Sexreport ersonnen haben) ansieht und immer noch über die teils flachen und groben, teils hintersinnigen und ironischen Scherze lachen kann. Gehören Sie als Hörer in diese Kategorie, ist diese Produktion ein "gefundenes Fressen". Niveau und Gagdichte sind höher als bei Otto, alberne Einlagen und krasse Wortwahl auch hier Programm. Einige Zoten und gar zu abgeschmackte Witze kann man leicht verschmerzen, muss man doch immer wieder schmunzeln über die Deutlichkeit, mit der die drei Spaßvögel den deutschen Spießer, oder zumindest dessen Klischee, auf den Arm nehmen.
Wer aber Otto blöd und langweilig, zotig und abgeschmackt findet und dessen Humor in die Ecke "schmuddelig" stellt, wird an Waechter, Bernstein und Gernhardt ebenso keinen Spaß haben.
Fazit: Die gewagte Idee, eine Schallplatte von 1968 - netterweise ist die hintere Seite der Papphülle identisch mit der Rückseite der damaligen LP - im Jahre 2006 herauszubringen, funktioniert. Witzig, lässig, locker präsentieren die drei Autoren auch heute noch, dass es eine Diskrepanz zwischen dem Erlaubten und dem Gewünschten im "Wunderland der Triebe" gibt. Allzu oft fühlt man sich entlarvt und bestätigt, wenn der Spießbürger in uns, der Worte wie Ejakulation und Geschlechtverkehr nicht ohne ein leises Unbehagen öffentlich ausspricht, "an den Pranger des Humors" gestellt wird. Leider erscheint der Preis für diese Produktion ein wenig zu hoch.