"Sehrrrr lecker, diese Spagetthi, Frrrrau Manziarly, ganz herrrrvoragend!" Dem Führer scheint's zu schmecken, und das, obwohl draußen die Bomben fliegen und der Russ dicht vor Berlin steht. Eine der vielen unvergesslichen Dialogzeilen aus Oliver Hirschbiegels Bunkerdrama "Der Untergang", das 2004 begeistert von den deutschen Medien gefeiert wurde. Hirschbiegel zeigt die letzten Stunden im Führerbunker als beschauliches Kammerspiel, mit einem (Bruno) ganz schön armseligen Hitler, der die letzten Stunden im Kreis seiner Getreuen verbringt und zur jämmerlichen, Mitleid erregenden Figur verkommen ist.
So weit, so gut. Doch der von Ganz verkörperte Hitler, dessen Gesicht im Film "vor Milde schimmert" (so urteilte
Die Welt), ist nur Symptom einer Tendenz im deutschen Kino und Fernsehen, die Zeit des Nationalsozialismus mehr und mehr zu verharmlosen, unter Ausblendung der Naziverbrechen und einer zwar differenziert anmutenden, tatsächlich aber beschönigenden Darstellung von Nazis. Guido Knopp betreibt im ZDF historisierende Pseudodokumentation, in "Napola" werden HJ-Eliteschulen in College-Manier glorifiziert, und in "Sophie Scholl" muss die tragische Heldin die - von ihren Henkern inhaltlich bereinigten - Verhörprotokolle nachplappern.
Werden die Nazis im deutschen Film "immer besser"? Zu dieser Schlussfolgerung kommt auf jeden Fall Dietrich Kuhlbrodt, Jurist und Publizist, der sich seit Jahrzehnten mit dem Themenfeld "Nationalsozialismus im Kino" auseinandersetzt. Seine jüngsten Gedanken zu dem Phänomen der "guten Nazis" im deutschen Film hat er in einem knapp 200-seitigen Buch vorgelegt, erschienen im Konkret Literatur Verlag Hamburg. Es ist eine persönlich gefärbte, im Zorn geschriebene Darstellung. Kuhlbrodt gießt kübelweise Spott und Häme auf die Ergebnisse deutscher Filmemacher aus, die sich der "schlimmen Zeit" des Dritten Reichs annehmen. Dabei geht er kurz auf die Filmgeschichte der Nazizeit ein: Veit Harlan dreht das antisemitische Machwerk "Jud Süß", Leni Riefenstahl verkündet den "Triumph des Willens". Beide finden sich nach 1945 in der bundesdeutschen Gesellschaft wieder, die selbst wenig Interesse hat, die zwölf Jahre des tausendjährigen Reichs aufzuarbeiten. Harlan kehrt schnell in die Filmlandschaft zurück und lässt erst nach eindringlichen Protesten die Finger von der Kamera. Der deutsche Film kommt aber auch ohne ihn zurecht: Verlogene Heimatschmonzetten greifen die Themen der Blut-und-Boden-Filme der Nazis unter veränderten Vorzeichen wieder auf, Joachim Fest reproduziert ohne jede Distanz das Hitler-Propagandamaterial in seinem Dokumentarfilm "Hitler - eine Karriere". Zugleich wird das surreale, psychologisch angehauchte Filmprojekt "Hitler, ein Film aus Deutschland" von Hans-Jürgen Syberberg von der deutschen Öffentlichkeit ignoriert oder missbilligt, denn hier wird der "Hitler in uns" dargestellt, das Fortleben der Naziideologie in den Köpfen der Menschen. Zu verrückt und zu beängstigend für die Öffentlichkeit?
Kuhlbrodt geht aber noch weiter. Ihn interessieren vor allem die Filme der 1990er und 2000er, also die Werke der jüngsten Filmgeschichte. "Speer und Er", "Das Wunder von Bern", "Rosenstraße" und "Winterkinder" - in all diesen Filmen tauchen Nazis unter positiven Vorzeichen auf: verblendete Geschöpfe, die nicht anders können, als dem Führer zu dienen, die von inneren Zwängen zerrissen werden (oder wurden), Verführte und Betrogene. Die Täter sind andere und finden sich in der obersten Führungsriege: der irre Hitler und der dämonische Goebbels. Die eigene Verstrickung in die Verbrechen hinterfragen diese Film-Nazis nicht. So kann in "Der Untergang" ein SS-Arzt, dessen reale Entsprechung an Verbrechen beteiligt war, zum rational handelnden Menschenretter aufsteigen, während Hitler zeitgleich seinen Hund Blondie mit Zyankali vergiftet.
Eine spannend zu lesende, unterhaltsame Lektüre ist Kuhlbrodts Buch ohne Frage. Das größte Manko des "Deutschen Filmwunders" ist allerdings, dass Kuhlbrodt seinen Lesern viel Vorwissen abverlangt. Hand aufs Herz, wer hat tatsächlich - wie Kuhlbrodt - all die kruden Hitlerfilme, Knopp-Dokus und Studentenfilme wie "Das Leben des Sid Vicious" gesehen? Wer hat das Gesamtwerk Christoph Schlingensiefs tatsächlich verinnerlicht? Kuhlbrodt kennt die Streifen alle, doch er lässt uns nicht an seinem Wissen teilhaben. Wäre es zu viel verlangt, zumindest kurz die Handlung, Aussage und Tendenz der genannten Filme zu umreißen? So bleibt das Buch eine Studie für eingeweihte Cineasten. Die allerdings werden an dem Buch ihre helle Freude haben: rhetorisch geschliffen, mit spitzer Feder geschrieben, klare Standpunkte beziehend und in ihrer Filmanalyse treffend. Alle anderen sollten wohl erst zu älteren Büchern wie A. Heinzlmeiers "Nachkriegsfilm und Nazifilm" oder J. Hembus' "Der deutsche Film kann gar nicht besser sein" greifen. Schade eigentlich, denn Kuhlbrodt hat es verpasst, ein neues Standardwerk zu verfassen. Es bleibt aber eine amüsante Bestandsaufnahme des aktuellen deutschen Kinos, das sich mit dem Thema Nationalsozialismus nach wie vor schwer tut und sich regelmäßig daran verhebt.