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 DSA-Roman: Mond über Phexcaer

Vier Geschichten aus Aventurien


Cover
Gesamt +++--
Anspruch
Aufmachung
Brutalität
Spannung
Ja, es gab ein literarisches DSA-Leben vor Kiesows "Der Scharlatan" und sogar vor dem "Jahr des Greifen" von Hohlbein/Hennen. Die Geschichten in "Mond über Phexcaer" zählen zu den ersten Erzählungen aus Aventurien überhaupt, die Sammlung kam zwischen der zweiten und dritten Edition der Regelwerke zum Schwarzen Auge heraus, war aber nicht im Buchhandel zu finden. Vor diesem Buch gab es nur den eher unaventurischen Roman "Das eherne Schwert" von Andreas Brandhorst aus dem Jahr 1985, und Ulrich Kiesows "Die Gabe der Amazonen" von 1987.
Drei der vier Geschichten in diesem Buch wurden später in "Der Göttergleiche" (DSA-Roman Nr. 9) übernommen.

Die Diebe von Rashdul von Christel Scheja
Die Königin der Diebe von Rashdul, die rothaarige Djamilla, will ihren gewagtesten Beutezug durchführen; der Anlass dazu ist jedoch vom Hauptmann der Stadtwache geschickt eingefädelt worden, um sie endlich zu fassen zu bekommen. Die Shanja, die mächtigste Person der Stadt, treibt nebenbei ein undurchsichtiges Spiel, und der ganze Coup gerät aus dem Ruder, als sich ein angeblicher Palastwächter namens Amehn einmischt ...
Christel Scheja, die inzwischen fleißig DSA-Romane schreibt, hat mit dieser Geschichte ein nettes kleines stimmiges Diebesstück abgeliefert, kein literarisches Prunkstück, aber angenehm zu lesen.

Einen Drachen zu töten von Jörg Raddatz
Die Geschichte handelt von einem Halbelfen, zugleich darpatischer Landgraf am Fuß der Trollzacken, der auszieht, um dem Titel der Geschichte gerecht zu werden. Ihn ereilt die Nachricht, dass ein gefräßiger Drache sich im Gebirge breit gemacht hat und nach ihm verlangt. Mit ein paar Getreuen reitet er los, um sich dem Ungetüm zu stellen, und muss nach einer gefahrvollen und verlustreichen Reise am Ziel feststellen, dass es mehr als eines scharfen Schwertes bedarf, um diesen Gegner zu schlagen ...
Der Höhepunkt dieser kleinen Geschichtensammlung. Der Halbelf Golambes ist ein Ausbund an Wortgewandtheit und so gerissen, dass es ein Vergnügen ist, seine Abenteuer mitzuverfolgen. Mit dieser Erzählung hat sich Raddatz selbst übertroffen, und später hat er diese Qualität wohl auch nicht mehr erreicht.

Mond über Phexcaer von Pamela Rumpel
Was, wenn nicht die Suche nach dem verschollenen Liebsten, könnte eine novadische Kriegerin ins ferne Phexcaer inmitten des Orklandes führen? Zusammen mit einem gewitzten Gaukler und einer stetig wachsenden Schar anderer Helfer macht sich Allhina daran, in der Stadt der Diebe nach ihrem geliebten Sanshied zu suchen und ihn aus der Hand des finsteren Magiers Xaraxus zu befreien, der ihn zu seinem Assistenten und Lehrling gemacht hat, warum auch immer. Allhina scheut nichts, um ans Ziel zu gelangen, und bekommt es mit Pantherfrauen, Schlangenfrauen und dicken Händlern zu tun. Letztlich landet sie im besten Bordell der Stadt ...
Dies ist die einzige Geschichte, die nicht in "Der Göttergleiche" übernommen wurde, und das vermutlich nicht nur wegen ihrer Länge - sie macht beinahe fünfzig Prozent dieses Buches aus. Nein, an dieser Geschichte ist einfach alles schlecht, und es gibt nur ein Werk über Aventurien, das diese Geschichte noch unterbietet, nämlich "Feuerodem" (DSA-Roman Nr. 6), und das stammt ebenfalls von Frau Rumpel.
Dabei soll einmal ganz außer Acht gelassen werden, dass Phexcaer als lebendige, bunte Stadt beschrieben wird, in der der Gott ohne Namen "der Güldene" genannt wird und einen eigenen Tempel hat, dass das Orkland nicht mit einer Silbe erwähnt wird, dass Novadis bereitwillig dem Wein zusprechen und dergleichen mehr - all das kann man noch der Zeit zuschreiben, in der diese Geschichte verfasst wurde, denn Ende der 80er war Aventurien längst nicht so detailliert beschrieben wie heute. Aber die Autorin beweist schon in dieser Geschichte, wie auch später im besagten Roman, dass sie weder mit Geschichten noch mit Figuren und schon gar nicht mit Worten umgehen kann. Die Story purzelt von hier nach da, es sollte wohl soviel wie möglich in die knapp hundert Seiten gepackt werden, der komplette Handlungsstrang mit der Pantherfrau ist überflüssig und nur Effekthascherei, zwei der drei Mitstreiter, die in Phexcaer gewonnen werden, kommen über Umstände dazu, die mehr als konstruiert wirken, Spannung kommt nie auf und die Geschichte ist schlichtweg hanebüchen. An Figuren ist nur der "namenlose" - sprich nicht benannte - Gaukler einigermaßen überzeugend, der nette Bordellbesitzer dagegen scheint einer Wattebausch-Fantasie entsprungen zu sein, und an der weiblichen Hauptfigur, die über weite Strecken zur Statistin verkommt, zeigt sich ein seltsames Frauenbild der Autorin: Sie wird zur Kriegerin durch ihre Waffe, nimmt man sie ihr, wird sie zum hilf- und wehrlosen Schönchen, und nicht einmal während der ganzen Handlung sieht man die Kriegerin in Aktion - diese Figur wäre glaubwürdiger gewesen, wenn die Autorin sie als Tänzerin ins Rennen geschickt hätte. Und die Formulierung "Ein neuer Morgen sprang leichtfüßig herab" ist nur eine der vielen Kostproben von der Unfähigkeit der Verfasserin, Bildsprache einzusetzen. Dagegen scheint sich Frau Rumpel darin zu gefallen, mit möglichst kitschigen und abgedroschen Worten immer wieder den möglichst leichtbekleideten Körper Allhinas oder irgendwelche überflüssigen Szenen der erotischen Art zu beschreiben, man ist versucht vorzuschlagen, sie solle doch in jenem Genre bleiben, aber von Aventurien die Finger lassen. Das Ende der Geschichte ist denn auch die erwartete Enttäuschung, und die Ausführlichkeit, mit der diese Erzählung besprochen wird, ist allein der Qual zu verdanken, welche das Lesen mir bereitet hat. Ein würdiger Vorgeschmack auf "Feuerodem".

Der Göttergleiche von Ulrich Kiesow
Die letzte Geschichte erzählt von zwei Söldlingen, Thimorn und Dajin, die in einer Herberge im Eisenwald Zeuge eines unmenschlichen Geschehens werden und sich einmischen. Kontrahenten sind eine Gruppe betrunkener Händler auf der einen Seite und ein geistig behinderter Krüppel und sein Begleiter auf der anderen.
Kiesow erzählt von Zivilcourage, die beinahe zum Desaster führt. Eine faszinierende kleine Geschichte, die interessanterweise eigentlich überall spielen könnte, denn sie ist die einzige, die nichts Aventurienspezifisches zu bieten hat außer der Kulisse des Eisenwald-Gebirges. Kiesows Erzählung lässt einen guten Blick auf sein schriftstellerisches Talent über das Erschaffen von Fantasywelten und das Verfassen von Regionalbeschreibungen hinaus zu. In der späteren Anthologie "Der Göttergleiche" ist diese Geschichte in überarbeiteter und erweiterter Form zu finden.

Dieses Buch hat heute natürlich nur noch Sammlerwert, eben weil die drei guten Geschichten von Scheja, Raddatz und Kiesow fünf Jahre später übernommen wurden und die eine schlechte von Rumpel niemand lesen muss. Das Lektorat ist sehr nachlässig gewesen und das Cover des Echsenmenschen, der mit der Menschenfrau tanzt, hat zwar nichts mit einer der Geschichten zu tun, ist aber schön stimmig. Ein Buch mit Seltenheitswert, aber allen, die an den Geschichten interessiert sind, sei "Der Göttergleiche" ans Herz gelegt, denn dafür bezahlt man weniger - die Preise bei Amazon für diese Sammlung beginnen bei circa dreißig Euro. Wer sie aber in die Finger bekommt, kann sich wohl dennoch stolz wähnen, eine solche Antiquität zu besitzen.

Stefan Knopp



Taschenbuch | Erschienen: 1. Januar 1990 | ISBN: 9783890645094 | 222 Seiten | Sprache: Deutsch

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