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Neun Jahre ist es nun her, dass der damals 14jährige Theo schwer krank war und von seiner Tante Martha auf eine Weltreise eingeladen wurde. Die Mediziner in seiner Heimat Frankreich konnten ihm nicht helfen und hatten schon sein Todesurteil ausgestellt, als Marthe auf die Idee kam, Theo mit auf eine Reise zu den Religionen der Welt zu nehmen. Tatsächlich gelang es den verschiedenen Priestern, Mönchen und Wunderheilern, Theo genesen zu lassen.
Nun ist er ein junger Arzt, der der Hilfe von Kriegsopfern sein ganzes Talent verschrieben hat. Um ein Stipendium zu erlangen, muss er eine Arbeit über die verschiedenen Umweltbedrohungen durch den Menschen schreiben. Doch da erreicht ihn die Nachricht, dass seine Tante Marthe mit einer beidseitigen Lungenentzündung in Indien in einem Krankenhaus liegt. Sofort fliegt er zu ihr und merkt, dass sie schlicht und ergreifend lebensmüde ist, da ihr brasilianischer Mann Brutus, der ebenfalls aus dem ersten Band bekannt ist, sie wieder einmal betrogen hat. Theo will diesen Lebensüberdruss heilen und beschließt, die verwöhnte Marthe mit auf die Reise in die ärmsten und gefährdetesten Gebiete der Welt zu nehmen. Der Weg führt von einem Kontinent zum nächsten, den Anfang nimmt sie in Delhi, in Iqaluit endet sie. Zwischenstationen sind in Afrika und Europa geplant. Unter anderem recherchiert Theo die Umweltverschmutzung in Großstädten, das Verschwinden der Süßwasserreserven, die Bedrohung der Pygmäen und ihrer Wälder und natürlich auch Gefahren und Nutzen der Kernkraftenergie. Auf dieser Reise ist Theo nie allein, immer sind Tante Marthe und Prem, ein Hindu-Priester, dabei. Teilweise stößt auch Renate zum Trio, die Frau, die Theo sofort gänzlich fasziniert.
Theo nimmt den Leser diesmal nicht auf eine Reise zu den Religionen mit, sondern auf eine Reise zu den Gefahren und der täglichen Bedrohung für die Erde durch den Menschen. Catherine Clément appelliert also wieder einmal mit einer Botschaft an den Leser: Im ersten Roman warb sie für die Verständigung und den Frieden zwischen den Religionen, diesmal widmet sie sich wieder einmal einem Thema, das alle angeht - dem Umweltschutz und den Gefahren für jeden einzelnen Menschen dieses Planeten, wenn nicht jeder seinen Lebenswandel ein Stück weit ändert.
Auch dieser Roman ist, genau wie sein Vorgänger, sehr anspruchsvoll zu lesen. Immer wieder wird der Leser voll gefordert, wenn es zum Beispiel darum geht, die Vor- und Nachteile der Atomenergie gemeinsam mit Theo zu ermessen oder auch, den Zusammenhang zwischen Religion und Umweltschutz zu verstehen. Dadurch ist der Roman gewiss kein Buch, das man einfach so zwischendurch lesen kann. Man muss sich komplett darauf einlassen und sich für die Thematik interessieren, sonst wird man von den teilweise seitenlangen theoretischen Exkursen verwirrt und verliert den Anschluss. Dies wäre aber sehr schade, da der Autorin der Balanceakt zwischen Information und Unterhaltung fast immer gelingt. Nicht alles dreht sich um die großen Gefahren für die Welt, auch die kleinen und größeren Hindernisse des Alltags jedes Menschen werden beleuchtet. Die Tragik und Armut der Massen sind Thema des Romans, aber auch Theos eigene Tragik erhält Raum und verhindert, dass das Buch ein unmögliches Happy End erhält
Theo ist nicht mehr so naiv und verwöhnt wie als Kind, diesen Part übernimmt nun Marthe und Theo muss ihr immer wieder vor Augen führen, dass nicht jeder Mensch so vom Schicksal begünstigt ist wie sie. Die unterschiedlichen Ansichten von Marthe und Theo führen immer wieder zu erbitterten Diskussionen, die es dem Leser erleichtern, sich mit den Figuren und ihren Meinungen zu identifizieren. Für beinah jede Gesinnung tritt ein Mensch auf, der diese personifiziert.
Anders als im ersten Band wird hier öfters der pädagogische Zeigefinger erhoben, welcher das Lesen hin und wieder einige Seiten lang zur Pflichtübung verkommen lässt. Doch dies ist nur ein kleiner Manko, der dem Wert des Buches kaum Abbruch tut. Den ersten Band über die Religionen der Welt muss man nicht gelesen haben, um diesen Folgeband zu verstehen, da die wichtigen Ereignisse nochmals kurz angesprochen werden. Auch wenn es natürlich von Vorteil und auch sehr interessant ist, die Entwicklung Theos und Marthes - und einiger anderer Bekannten - über die beiden Bücher hinweg zu verfolgen.