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Christie Malry ist ein junger, verschlossener Buchhalter in London, der eine schwere Kindheit hatte, doppelte Buchführung als sein einziges Hobby bezeichnet und eine Reihe ausgefallener sexueller Neigungen an den Tag legt. Als seine geistig verwirrte Mutter an Krebs und sein bester Freund bei einem Unfall stirbt, ist er plötzlich nur noch für sich selbst verantwortlich und mit einem kühl-berechnenden Sinn für Rache und Gerechtigkeit erfüllt: Er formuliert "Soll und Haben" zu "Ärgernisse und Genugtuung" um und beginnt, sein Leben in diesem Sinne auszubalancieren. Das beginnt mit Dingen wie Ärger mit seinem Boss in der Süßigkeitenfabrik, für die er arbeitet, auf der Soll-Seite, die mit Ereignissen wie einem Kompliment von der Metzgerin Carol, mit der er eine sexlastige Beziehung anfängt, auf der Habenseite ausgeglichen werden. Doch es bleibt nicht bei solchen Kleinigkeiten, denn allzu bald erkennt er, dass die wahre Ungerechtigkeit von der Regierung ausgeht, und dass daran unter anderem die Bewohner von London schuld sind, da sie die Regierung gewählt haben. Diese Ungerechtigkeiten schreien in den Augen des unscheinbaren Christie Malry nach ausgleichender Genugtuung, und so driftet er langsam in die Welt des Terrorismus ab, bezeichnet sich selbst als Ein-Mann-Zelle und schlägt zu, ohne dass sein Umfeld etwas davon mitbekommt.
Regisseur Paul Tickell hat mit "Christie Malrys own double-entry" eine sehr eigenwillig komponierte Adaption des gleichnamigen Romans von Brian Stanley Johnson von 1973 abgeliefert. Der Film stammt aus dem Jahr 2000 und ist eine Gemeinschaftsproduktion von Großbritannien, Luxemburg und den Niederlanden. Malrys tristes Leben wird in matten Farben festgehalten, sein Lebensraum ist minimalistisch, nach außen gibt er sich durchschnittlich, nur in den eigenen vier Wänden bricht er, vor allem auf sexueller Ebene, aus der Normalität aus, ein schlichter, verletzlich und verletzt wirkender Mensch, der sich mit dem Kalkül eines Buchhalters an allem rächt, was ihm ungerecht erscheint. Nick Moran ("Bube, Dame, König, Gras") spielt diese Figur sehr nachvollziehbar und gut und wird von Kate Ashfield ("Shaun of the dead") hervorragend begleitet. Ihre Carol bietet Christie genau die lebendige Verspieltheit, die seinem eigenen Leben fehlt, und diese Kontraste, die einander anziehen, werden raffiniert verdeutlicht in Kleidung und Kulissen: hier minimalistisch und praktisch, dort bunt und verspielt.
Nicht in der Romanvorlage enthalten ist der Handlungsstrang um Leonardo da Vinci und den Mönch Luca Pacioli, der als geistiger Vater der doppelten Buchführung gilt und dessen Lehren Christie verinnerlicht. Dass die beiden sich gekannt haben, ist historisch verbucht. Dieser Teil des Films, für den Bauten und Kostüme im Renaissance-Stil und sogar eine Nachbildung von da Vincis "letztem Abendmahl" angefertigt wurden, verwirrt zunächst. Die Verbindung zum Malry-Plot ergibt sich, wenn man da Vinci als Terrorist der Kunst seiner Zeit begreift, wie es im Special "Adaption des Romans" auf der DVD erläutert wird - zum Glück, denn ohne diese Hilfestellung wäre ich nicht drauf gekommen. Mit diesem Wissen erweist sich die Parallele jedoch als schlüssig. Dadurch wird diese Renaissance-Handlung zur eigentlich besten Charakterisierung Malrys, der die mathematische Logik des Mönchs und die künstlerische Anarchie des Leonardo in sich vereint.
Diese Mischung aus Thriller und Drama mit einem wohldosierten Schuss schwarzem Humor ist mit Rückblenden und gelegentlichen Wunschvorstellungen der Hauptfigur durchsetzt. Insgesamt unterstreichen diese Stilmittel den ungewöhnlichen Charakter Malrys ebenso wie die meist ruhigen, besonnenen Kamerafahrten. Hektisch ist dieser generell nicht actionlastige Film selten, deutlich erkennbar ist, dass die wenigen Explosionseffekte separat gefilmt und über das Geschehen gelegt wurden - das sieht so laienhaft aus, dass es wohl Absicht war. Dem Zuschauer wird eher eine gelungene Charakterstudie geboten, die von Songs, Source Music (also szeneninterner Musik) und moderner Filmmusik von Luke Haines untermalt wird.
Auf der DVD finden sich neben Film und Sprachwahl noch eine Trailershow von Epix, die ganze neun Filme umfasst, und in den Extras zwei Specials zur Romanadaption und zum Filmdesign sowie Vorstellungen von den drei wichtigsten Darstellern und dem Regisseur. Diese Extras beschränken sich allerdings wie bei anderen Epix-DVDs auch auf Textform, was sie nicht weniger interessant macht, aber für eine DVD doch etwas schwach ist. Zu bemängeln ist auch, dass es keine Szenenwahl gibt. Das war besonders ärgerlich, als ein Aussetzer des Abspielgeräts zum Neustart zwang. Glücklicherweise ist der Film dennoch in Abschnitte eingeteilt, zu denen man springen kann. Als Bildformat ist 4:3 Letterbox vorgegeben, Ländercode ist 2 PAL. Nachdem man den Film gesehen hat, wundert man sich über das Coverbild, denn im ganzen Film taucht nicht eine einzige Pistole auf.
"Christie Malrys blutige Buchführung" ist ein faszinierender kleiner Film, der gekonnt und ungewöhnlich inszeniert wurde und über eine gute Schauspieler-Riege verfügt. Das Innere des terroristisch veranlagten Buchhalters spiegelt sich in Bild- und Szenenaufbau wider, die Kamera wahrt einen beinahe entspannten Blick aus einer gewissen Distanz auf diese Figur, deren Charakter auf ungewöhnliche Weise in der Renaissance-Handlung aufgeschlüsselt wird. Das Zusatzmaterial auf der DVD ist dürftig, das Medium zieht seine Güte einzig und allein aus dem Film.