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Mit seinen fantastischen Jugendbuchtrilogien "Merle und die Fließende Königin" und "Die Wellenläufer" schrieb sich Kai Meyer - heute einer der erfolgreichsten Schriftsteller Deutschlands - in die Herzen seiner jungen Leser. Allein die vor einigen Monaten erfolgte Ankündigung einer neuen Trilogie für seine jugendlichen Leser sorgte für Spekulationen und freudige Erwartung, doch bis kurz vor der Veröffentlichung hüllte sich das neue Projekt in einen Mantel des Schweigens. Doch im Juni 2006 ist mit "Seide und Schwert" dann endlich der erste Band der "Wolkenvolk"-Trilogie erschienen, in der uns der deutsche Autor in ein fantastisches China Ende des 18. Jahrhunderts entführt.
Seit nunmehr 250 Jahren lebt das Volk, dem auch der junge Niccolo angehört, auf einer großen Wolke. Dank des Großen Leonardos, der zu seinen Lebzeiten Geräte erfunden hat, die den geheimnisvollen Aether in die Wolke pumpen und sie damit festigen, gibt es auf dem Wolkengebirge Höfe, Tiere und Felder. Doch Niccolo kommt die Wolkeninsel, auf der das Lesen strengstens untersagt ist, vor wie ein Gefängnis. Auch Niccolos Vater hatte diesen Eindruck, doch ihm konnte keiner das Lesen verbieten, weswegen er als Verstoßener am Rand der Wolke lebte. Doch Niccolo konnte viel von seinem Vater lernen, bevor dieser von einem Windstoß über den Rand der Wolke getrieben wurde und in die Tiefe stürzte.
Nun sackt die Wolkeninsel beständig ab. Wie Niccolo erfährt, können die Aetherpumpen keinen festigenden Drachenatem - denn nichts anderes ist der Aether - mehr aus dem Himmel saugen; wenn nicht schleunigst etwas unternommen wird, verliert die Insel ihre Festigkeit und ihre Bewohner werden unweigerlich in die Tiefe stürzen!
Mit einem nicht sonderlich vertrauenswürdig aussehenden Fluggerät macht sich Niccolo, der als einziger der Sprache jenes Landes, über dem die Insel gerade schwebt, mächtig ist - nämlich chinesisch -, auf den Weg zum Erdboden, um dort einige Drachen zu finden und genug Atem zu sammeln, um die Wolkeninsel wieder zu festigen. Doch das ist leichter gesagt als getan, denn die Drachen sind verschwunden. Auch das Mädchen Nugua, das unter ihnen aufgewachsen ist, ist auf der Suche nach ihren Verwandten - denn in ihren Augen ist auch sie selbst ein Drache - und schließt sich deshalb Niccolo an. Und dann ist da noch der tölpelhafte Feiqing, der jämmerlich in seinem Drachenkostüm feststeckt, der aber auch behauptet, Niccolo und Nugua zu den alten Drachen führen zu können
Mit seinem neusten Werk gelingt es Kai Meyer zum wiederholten Male, historische Realitäten geschickt mit Sagen, Mythen und Legenden zu verbinden und auf diese Weise einen spannenden und mitreißenden Plot zu erschaffen. Nachdem Kai Meyers jugendliche Leser zunächst Venedig und danach die Karibik kennengelernt haben, entführt der Autor dieses Mal in das Alte China während der Qing-Dynastie.
Zunächst jedoch wird Niccolos Welt vorgestellt, die namensgebend für die "Wolkenvolk"-Trilogie ist und vom italienischen Raum inspiriert wurde. Dieser einleitende Teil ist ohne Zweifel notwendig, stimmt auf die folgenden Ereignisse ein und wird von Kai Meyer stimmig beschrieben - sonderlich aufregend ist der Roman an dieser Stelle jedoch noch nicht. Doch die ersten Seiten lohnen sich, führen sie doch zu einer Geschichte, die voller bezaubernder Ideen, liebenswerter Charaktere, humorvoller Dialoge und sowohl spannender als auch emotionaler Szenen ist. Von Seite zu Seite ist der Leser mehr von Kai Meyers Erzählung gefesselt und folgt den Figuren auf ihrer Reise durch China, die stolze 407 Seiten füllt und dabei keine Sekunde langweilig wird.
So führt der Autor verschiedene Handlungsfäden zusammen, lässt sie wieder auseinanderschweifen, um sie an anderer Stelle erneut kreuzen zu lassen. Gleichzeitig sind Sprache und Atmosphäre des Romans so wunderbar, dass man als Leser schnell den Eindruck gewinnt, tatsächlich im Alten China zu sein. Am Ende dieses ersten Bandes der "Wolkenvolk"-Trilogie bleiben - wie es zu erwarten war - zahlreiche Fragen offen, wodurch die Spannung auf den zweiten Band der Trilogie ins Unermessliche wächst und man es kaum erwarten kann, bis die Geschichte um Niccolo, Nugua, Feiqing und all die anderen Charaktere endlich weitergeht.
Auch die Aufmachung des Hardcover-Romans gefällt sofort. Den Schutzumschlag des Buches ziert eine Coverillustration, die erneut von Joachim Knappe stammt und in wunderschönen Orange-Tönen gehalten ist. Auch die Drachen-Vignetten im Innenteil, die jeden Kapitelanfang zieren, sowie ein rotes Lesebändchen sorgen dafür, dass das optische Gesamtbild von "Seide und Schwert" noch abgerundet wird.
Fazit:
Mit "Seide und Schwert" übertrifft sich Kai Meyer selbst und legt einen Roman vor, den man als Leser überhaupt nicht mehr aus den Händen legen will. Hier werden fantastische Momente von tiefgründigen Charakteren beherrscht, folgen spannende Actionsequenzen emotionaler Zerrissenheit, lösen einfallsreiche Ideen humorvolle Dialoge ab. Obwohl der erste Band der "Wolkenvolk"-Trilogie Kai Meyers bislang umfangreichstes Jugendbuch ist, liest es sich flüssig, leicht und vor allem fesselnd.
Hinweis:
Der zweite Band der "Wolkenvolk"-Trilogie - dessen Titel noch nicht bekannt gegeben wurde - ist bereits fertig geschrieben und wird im Januar 2007 erscheinen. Derzeit arbeitet Kai Meyer am dritten und abschließenden Band der Trilogie, der dann im Juni 2007 erscheinen soll. Über seine Arbeit an diesem Abschlussband berichtet Kai Meyer ausführlich im Journal auf seiner Homepage www.kaimeyer.com.