Gesamt |
|
Anspruch | |
Aufmachung | |
Brutalität | |
Gefühl | |
Preis - Leistungs - Verhältnis | |
Spannung | |
"Mein Herz so weiß" beginnt aufregend und sogar ein wenig spektakulär. Eine frisch verheiratete Frau sitzt mit ihrem Mann und ihrer Familie am Esstisch, als sie plötzlich aufsteht, ins Badezimmer geht, dort ihre Bluse öffnet und sich genau ins Herz schießt.
Was es damit auf sich hat, erfährt der Leser allerdings erst sehr viel später.
Der Autor Javier Marías erzählt zunächst die Geschichte des Dolmetschers Juan und seiner Frau Luisa, die ebenfalls gerade erst geheiratet haben. Juan, der Ich-Erzähler, scheint ein sehr nachdenklicher Mensch, auch was seine Ehe angeht. Vor allem das Verhältnis zu seinem Vater Ranz mag dem Leser anfangs nicht so klar werden, und auch im weiteren Verlauf wirft dieses noch einige Fragen auf.
Nach und nach erfährt man schließlich, dass Ranz schon viel Pech in seinem Leben hatte. Der alte Mann war schon dreimal verheiratet und ging aus allen drei Ehen als Witwer hervor. Das pikante daran ist allerdings, dass Juan nur von zwei Ehen seines Vaters weiß und eher durch Zufall mitbekommt, dass es noch eine Frau in dessen Leben gab. Am Ende wird natürlich auch das Rätsel um die erste Ehefrau des Vaters gelüftet, aber bis dahin macht sich Juan viele Gedanken um diese unbekannte Frau.
Währenddessen kämpft der Ich-Erzähler Juan noch mit Problemen in Ehe und Beruf. Er scheint nicht immer zu wissen, ob Luisa tatsächlich die richtige Frau für ihn ist und fühlt sich öfters nicht so recht geborgen bei ihr. Die räumliche Trennung der beiden, bedingt durch Juans Beruf als Dolmetscher, belastet ihn zusätzlich und so fühlt er sich jedes Mal, wenn er nach einer längeren Tätigkeit im Ausland (diese Aufenthalte dauern teilweise acht Wochen), fremd in der gemeinsamen Wohnung. Über seine Arbeit weiß Juan einige nette Anekdoten zu erzählen, die teilweise recht amüsant sind.
Auf jeden Fall ist er ein großer Denker und Analytiker, jedes noch so kleine Detail wird wahrgenommen und eingehend analysiert.
"Mein Herz so weiß" ist definitiv ein anspruchsvoller Roman. Nicht unbedingt von der Thematik her, sondern mehr bedingt durch Marías Schreibstil. Der spanische Autor schreibt sehr detailreich, aber dabei sehr kompliziert und langwierig. Es kommt durchaus vor, dass ein einziger Satz eine ganze Seite beansprucht und nur durch viele Kommata abgeteilt ist, so dass man sich beim Lesen teilweise sehr konzentrieren muss.
Dieser detailreiche Schreibstil führt auch dazu, dass Marías oft vom Thema abzukommen scheint. Wenn man genauer hinsieht, tut er das aber gar nicht. Er beschreibt nur eine Handlung, die sich in wenigen Sekunden abspielt, auf zehn Seiten. Den roten Faden verliert er dabei allerdings nie.
Interessant ist es zu sehen, wie Javier Marías seine Geschichte aufbaut. Beginnt er mit dem relativ spektakulären Selbstmord, so folgt danach erst einmal eine etwas seichtere Beschreibung der Hochzeitsreise nach Kuba und als Leser weiß man zunächst nicht, in welche Richtung diese Geschichte gehen soll.
Lobend hervorzuheben ist die Ausführung des Buches. Für 9,90 Euro bekommt man als Leser ein gebundenes Buch mit Lesebändchen in sehr guter Qualität, was man auf dem heutigen Buchmarkt leider sehr selten findet, zumindest zu diesem Preis.
Fazit: Marías Schreibstil macht es einem nicht leicht dieses Buch zu bewerten. Es ist definitiv eine schöne und spannende Geschichte über Familie, Ehe, den Beruf des Dolmetschers und auch den Tod, aber sie macht sehr oft einen zu anspruchsvollen Eindruck. Auf Schachtelsätze über eine ganze Seite kann sich nun mal nicht jeder Leser einlassen und es mag einem schnell so vorkommen, als würde Marías vom Thema abkommen - wobei er den roten Faden aber doch nie verliert.
Wer sich auf "Mein Herz so weiß" richtig einlässt, genug Zeit mitbringt um diesen Roman in Ruhe zu genießen und sich dazu auch nicht von einer anspruchsvollen Sprache abschrecken lässt, sollte doch einen Blick in diesen Roman riskieren. Die Chance, dass er gefällt, ist relativ groß.