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Inmitten von Fischresten wird er 1738 geboren. Seine Mutter will ihn, wie vier Kinder zuvor, sterben lassen und kümmert sich nicht um das hässliche Wesen. Doch Jean-Baptiste Grenouille, zunächst namenlos, schreit. Seine Mutter wird daraufhin festgenommen und wenig später wegen mehrfachen Kindsmordes gehenkt. Der Säugling wird von Kloster zu Kloster, von Amme zu Amme weitergereicht. Niemand will ihn lange in seiner Nähe behalten, er ist ihnen unheimlich. Denn Jean-Baptiste riecht nicht. Er hat keinen Eigengeruch, ist völlig geruchlos. Er landet erst in einem Armenhaus, dann als Lehrling bei einem Färber. Er überlebt den eigentlich tödlichen Milzbrand und schafft es schließlich mit einer Zähigkeit und einem unbesiegbaren Überlebenswillen, eine Anstellung bei einem der renommiertesten Parfumeure von Paris zu bekommen, bei Giuseppe Baldini. Durch den alten Mann, der bar jeder Hoffnung ist, noch einmal in seinem Leben ein großes Parfum zu kreieren, erhält Jean-Baptiste Grenouille die Chance, seiner wahren Bestimmung näher zu kommen: Er will Düfte erschaffen, Parfume, die einzigartig sind. Denn Grenouille ist ein olfaktorisches Genie. Er lebt in einer eigenen Geruchswelt. Er merkt sich jeden Duft, jeden wie auch immer gearteten Gestank, analysiert ihn in seinem Inneren, katalogisiert, synthetisiert und kreiert ohne Unterlass neue Düfte. Er tötet sogar ein junges Mädchen, um ihren Duft in sich aufnehmen zu können.
Baldini nutzt ihn drei Jahre schamlos aus, wird der größte Parfumeur Europas mit seiner Hilfe. Endlich aber gibt er Jean-Baptiste frei. Er stellt ihm einen Gesellenbrief aus und schickt ihn weg. Erleichtert sieht er dem achtzehnjährigen Genie nach, das er in seinem Innersten verabscheut und vor dem er sich ekelt.
Für Jean-Baptiste Grenouille beginnt ein neues Leben. Entgegen seiner Pläne, die vorsahen sich nach Grenoble und Grasse zu bewegen, entflieht er allem Menschlichen, entflieht er jedem Geruch der Zivilisation. Er verbringt sieben Jahre in der Einsamkeit einer vulkanischen Landschaft, lebt nur in seiner inneren Duftwelt, ist ihr Gott und Schöpfer. Nichts und niemand vermag ihn aus seiner selbstgewählten Einsamkeit zu vertreiben, noch ihn aufzurütteln. Er vegetiert in einer Höhle, ernährt sich von Käfern, Schlangen und Moos. Er ist sich selbst genug und will die Welt und vor allem die Menschen außerhalb von ihm nicht mehr sehen, vor allem nicht mehr riechen - nie mehr.
Doch eine innere Katastrophe treibt ihn aus seiner Höhle in die Menschenwelt zurück und lässt ihn gar zu einem Mörder werden.
Über sechs Millionen Mal verkaufte sich das Buch von Patrick Süskind. Millionen Menschen strömen in den Kinofilm "Das Parfum", und über zwanzig Jahre nach der Entstehung des Romans wurde er von Diogenes als Hörbuch produziert. Man gewann für die ungekürzte, fast zehn Stunden dauernde Lesung Hans Korte. Einen bekannten Theater- und Fernsehstar, dessen markante Stimme wie dafür gemacht scheint, diesen schwierigen, manchmal ausufernden Text einem hörenden Publikum zu vermitteln.
Schnell merkt der Hörer, dass es zwar leicht fällt Seiten eines Buches zu überlesen, aber "überhören" kann man nichts. Wer diesem Hörbuch lauscht, ist mit einer ungeahnten Intensität und zwanghaften Aufmerksamkeit der Gedankenwelt des Patrick Süskind ausgeliefert. Doch von Langatmigkeit, gar Langeweile, von zu dezidierten Beschreibungen oder zu weitschweifigem Text kann keine Rede sein.
Es entfaltet sich eine bislang ungekannte, ungehörte Welt. Eine olfaktorische Welt und "Sichtweise" wird so genau, so deutlich, so exakt ausgebreitet, dass man sich beinahe in ihr verlieren kann. Man wird eins mit diesem seltsamen, der Abscheu der Mitmenschen ausgelieferten Gestalt des Jean-Baptiste Grenouille. Süskind und vor allem Hans Korte gelingt es, diese einzigartige Persönlichkeit eines Geruchsmenschen, eines witternden Tieres, eingesperrt in einer menschlichen Gestalt, so genau zu charakterisieren, dass man sich in ihn hineinfühlen kann. Ohne Empathie betrachtet ist Grenouille ein Scheusal, eine grausame, egoistische, extrem lebensfeindliche Gestalt. Mit Empathie und Objektivität betrachtet, ist er eine Laune des Schicksals, ein Unikum, eine tragische Gestalt. Er ist Sklave seiner Bestimmung, Opfer seiner Fähigkeit, Meister seiner Möglichkeiten und Gestalter einer Welt, die nur er wahrnimmt und nur er schaffen kann - und damit gezwungen ist, sie zu erschaffen.
Schwach ist an diesem Roman die Gestaltung der Außenwelt. Die Charaktere außerhalb von Grenouille sind blass und wenig glaubhaft und vor allem reine Mittel zum Zweck. Leider entledigt sich der Autor dieser Charaktere auf groteske, gezwungen wirkende und wenig realistische Art und Weise. Das Schicksal des Färbers, des Parfumeurs, der Leiterin des Armenhauses ist unnötig dramatisiert und zu zweckgerichtet.
Schwach an diesem Hörbuch ist die Tendenz von Hans Korte, zwischen Überbetonung und Nuschelei einen sicheren Weg zu finden. Immer wieder endet ein Satz gar zu hart und verwischt der Anfang des nächsten in einer undeutlichen und fast verschluckten Art und Weise. Dieser Hang zur Überbetonung ist gewöhnungsbedürftig. Er passt nicht zu Grenouille und seiner inneren Gefühlswelt. Um so mehr passt er zur Außenwelt. Zur bedrohlichen, ihn verletzenden, ihn stoßenden und zwingenden Außenwelt. Es gelingt Korte, die für den Riechenden so grausame Menschenwelt hörbar zu machen. Die Diskrepanz zwischen der Weichheit eines Geruchs, den unendlichen Tiefen der Innenwelt von Grenouille und der eisenharten Realität, der ihn ablehnenden Menschenwelt, wird durch diese harte, überbetonende, barsche Sprechweise von Hans Korte beinahe schmerzhaft klar. Hat man sich an diese ungewohnte Stimme, die abnorme Betonung und die in Lautstärke und Charakter zwischen den Extremen wechselnde Stimme gewöhnt, ist es beeindruckend, welche inneren Vorstellungen Korte im Zuhörer zu erwecken vermag. Fast scheint die Dauer des Hörbuchs eine zu große Hürde, eine zu große Belastung zu sein. Doch schon zur Mitte hin bedauert man, dass die Geschehnisse vorangetrieben werden, bedauert man, nicht mehr Einzelheiten gehört zu haben von der Zeit im Armenhaus, in der Färberei, bei Baldini, in der einsamen Höhle. Nein, zu lang ist dieses Hörbuch nicht. Jede einzelne Minute ist ein Genuss, jede Kürzung des Buches wäre schade und würde den bleibenden Eindruck mindern, den dieses Werk beim Hörer erzielt.
Fazit: Ein beinahe perfekter Roman, umgesetzt von einem großen Sprecher. Wenn auch einige Stellen im Buch nicht sehr überzeugend geraten sind und die Stimme des Sprechers gewöhnungsbedürftig ist, so handelt es sich doch bei "Das Parfum" um ein einmaliges, tief berührendes Hörbuch. Der aktuelle Preis dieser Produktion ist überraschend günstig - eingedenk der Tatsache, dass es sich immerhin um acht CDs handelt und Hülle, Aufdruck und Beiheft von großer Sorgfalt des Lektorats künden. Auf Musik oder Geräusche wurde verzichtet, Geruch wird leider nicht geboten.