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 Europa

Eine Kulturgeschichte in Bildern


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Preis - Leistungs - Verhältnis


Während einerseits die EU ihre Mitgliedsstaaten immer schärfer reglementiert, können andererseits immer weniger Menschen etwas mit dem Begriff "Europa" anfangen, von den geografischen Grenzen abgesehen. In diesem Buch geht es um die Wurzeln und Ausprägungen europäischer Kultur, deren wesentliche Elemente sich in zahlreichen Kunstwerken und Bauten äußern, von denen hier fünfundfünfzig exemplarisch vorgestellt werden.
Die Basis, auf der die europäische Kultur beruht, findet sich in der Antike: Griechenlands Philosophie und seine Idee der Demokratie, der römische Staatsgedanke und das Urchristentum hatten wesentlichen Anteil daran. Allerdings darf man die asiatischen Wurzeln der antiken Kulturen nicht vergessen, die sich im Mythos der Entführung der phönizischen Prinzessin Europa nach Griechenland widerspiegeln.
Ein umfangreiches Kapitel widmet sich den "Pfeilern des Europäischen Hauses", zu denen Ablehnung der Allein- und Fremdherrschaft, Machtbegrenzung und -kontrolle, Gleichgewichtspolitik, die Freiheitsidee und die Herrschaft des Rechts gehören. Allerdings, und dies arbeitet die Autorin sehr gut heraus, bezogen die europäischen Staaten dies zumeist auf sich selbst, während sie ohne Vorbehalte Fremdherrschaft über die von ihnen unterworfenen Länder und Erdteile ausübten, dort die Freiheit der Einheimischen missachteten und ihr Recht häufig nicht auf diese anwandten. Auch das Mächtegleichgewicht in Europa erwies sich immer wieder als sehr instabil, wovon die großen Kriege, zum Beispiel der Dreißigjährige Krieg, die Napoleonischen und die Weltkriege, ein beredtes Zeugnis ablegen.
Mancher Konflikt lässt sich auch auf das in einem weiteren Kapitel thematisierte "Doppelgesicht des europäischen Menschenbildes" zurückführen, denn ab der Renaissance und insbesondere während der Aufklärung betrachtete sich der Mensch mit zunehmendem Selbstbewusstsein als Ebenbild Gottes, während er vor allem im Mittelalter dem Selbstbild der sündig-unvollkommenen, von der Erbsünde geschlagenen Kreatur verhaftet war; beide Identitäten finden sich in der Bibel.
Das längste und differenzierteste Kapitel befasst sich mit der Dialektik Europas. Der europäische Kulturraum lebte einerseits immer von Assimilation, so auch der Annahme islamischer Kunst und Wissenschaft im Mittelalter, andererseits jedoch von Abgrenzung. Zudem erfolgte die kulturelle Fortentwicklung wellenartig: Jeder Umbruch führte zu den Wurzeln zurück, entwickelte diese jedoch intensiv weiter. Die jeweils als richtig erkannten Ideen wurden mit Gewalt in eroberte Gebiete exportiert, und auch im Inneren wurde die angestrebte Einheitlichkeit mit viel Blut erkauft, so während der Inquisition, der Französischen Revolution und der Diktaturen des zwanzigsten Jahrhunderts, was die Autorin treffend als Pendelschlag zwischen Vernunft und Irrationalität bezeichnet.

Unter den Kunstwerken und Gebäuden, die Meilensteine und typische Ausprägungen europäischer Kultur repräsentieren sollen, befinden sich berühmte wie die Athener Akropolis, die Plastik der Kapitolinischen Wölfin, das Selbstbildnis Dürers, die Aachener Pfalzkapelle und Goyas Erschießung der Aufständischen, aber auch weniger bekannte, darunter Karikaturen, Münzen, die Machtverhältnisse widerspiegeln, erstaunlich tiefgründige Allegorien und rare Zeugnisse einer respektvollen Symbiose von Kulturen, beispielsweise ein Alexanderschlacht-Mosaik, das sich heute in Neapel befindet.
Die Autorin interpretiert diese Werke ausführlich und stellt sie in den historischen, kulturellen und, wo erforderlich, religiösen Zusammenhang. Dem Leser und Betrachter offenbaren sich immer wieder verblüffende Einzelheiten, denn wenn die europäische Kultur auch eine beträchtliche Permeabilität gegenüber äußerlichen Einflüssen aufwies, die wir heute unvorbereitet in vielen Kunstwerken gar nicht erkennen, so kamen die wesentlichen Impulse, die den Kontinent von Grund auf veränderten, doch immer von innen (man denke nur an die Französische Revolution und den Marxismus), später auch aus Nordamerika, das freilich die europäische Kultur einschließlich des imperialistischen Gedankens tief verinnerlichte.
Mag die Auswahl der Kunstwerke zuweilen auf den ersten Blick verwundern, so erweist sich während der Lektüre, dass die Autorin sehr umsichtig vorgegangen ist und tatsächlich ideale Repräsentanten für die jeweiligen Aspekte europäischer Kultur und Geschichte ausgesucht hat.
Die Qualität der großformatig und farbig abgedruckten Bilder lässt ebenfalls nichts zu wünschen übrig.
Ein interessantes und wichtiges Buch, zumal sich bezüglich mancher europäischer Fragen, beispielsweise des EU-Beitritts der Türkei, auffällig zeigt, dass die kulturelle Identität Europas im Bewusstsein seiner Bevölkerung weithin verloren gegangen ist, woraus diffuse Ängste und unsachliche Argumentation resultieren. Dieses Buch kann zu einer fundierten Diskussion beitragen - und lässt sich zudem sehr gut lesen.

Regina Károlyi



Hardcover | Erschienen: 01. April 2006 | ISBN: 3896785621 | Preis: 29,90 Euro | 144 Seiten | Sprache: Deutsch

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