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Indien ist vor allem bei der Literatur momentan auf dem Vormarsch. Kiran Nagarkar ist einer der doch noch wenigen international bekannten indischen Autoren und beschäftigt sich in seinem Roman "Gottes kleiner Krieger" mit dem höchst aktuellen und brisanten Thema Fundamentalismus.
Auf knapp 700 Seiten erzählt Nagarkar die Geschichte einer Familie, den Konflikt zweier Brüder und den Lebensweg eines Fundamentalisten.
Hauptfigur ist Zia Khan und seine Geschichte beginnt schon im frühen Kindesalter. Zia Khans Vater ist ein erfolgreicher und berühmter Architekt in Bombay und wohnt zusammen mit seiner Frau, seiner Schwester und seinen beiden Söhnen in einer schicken Villa mitten in der Millionenstadt. Die beiden Jungen werden zu einem großen Teil auch von ihrer Tante erzogen, die eine sehr religiöse Frau ist und sich sehr für ihren Glauben einsetzt. Zia scheint von Anfang an ihr Lieblingsneffe zu sein, und so entsteht eine sehr enge Bindung zwischen den beiden. Seine Tante gibt ihm außerdem schon sehr früh das Gefühl, dass er etwas sehr außergewöhnliches und dazu auserwählt ist seinem Gott zu dienen; deshalb gibt sie ihm auch den Namen "Gottes kleiner Krieger". Außergewöhnlich ist er dabei tatsächlich, ist er doch ein sehr intelligentes Kind und ein Mathgenie dazu. Schon im Jugendalter kann Zia die schwierigsten Rechenaufgaben im Kopf lösen und erstaunt damit seine gesamte Umwelt.
Sein Bruder Amanat dagegen muss um die Aufmerksamkeit seiner Eltern und seiner Tante kämpfen. Entgegen kommt ihm dabei sein schweres Asthma, denn während einer seiner vielen Anfälle (die oftmals vorgetäuscht sind) schenkt man ihm die ganze Aufmerksamkeit.
Der Konflikt der Brüder stellt sich also schon recht früh heraus und zieht sich schließlich auch durch das ganze Buch. Es folgen dann im Verlauf des Romans einige Wortgefechte und auch mit der Achtung gegenüber dem jeweils anderen scheint es nicht immer weit her zu sein.
Zias weiterer Lebensweg verläuft stürmisch. Er geht auf ein Internat in England, wo er einige Male fast rausgeworfen wird, weil er unter anderem eine Mitschülerin schwängerte, die - als wäre das noch nicht genug - auch noch die Freundin seines besten Freundes ist. Dann studiert er in Cambridge Mathematik, worauf er jedoch überhaupt keine Lust hat und sich lieber als Straßenfeger betätigt. Weitere Stationen sind unter anderem Afghanistan und ein Trappistenkloster in Kalifornien.
Seinen Glauben verliert Zia Khan sein ganzes Leben lang nicht. Allerdings wechselt er ihn ziemlich oft. Immer wenn ihm an einer bestimmen Religion etwas fasziniert, konvertiert er zu ihr und betreibt sie dann mit größter Hingabe. Hingabe, die man jedesmal als Fanatismus bezeichnen könnte. Er hält sich strikt an die Regeln, betet so oft wie er beten muss, fastet, besucht Gottesdienste, liest die jeweiligen Schriften und legt sein gesamtes Herzblut in die Religion.
Mit seinem religiösen Fanatismus steckt Zia Khan schließlich auch andere an. So will seine Cousine ihren Namen sogar in den muslimischen Namen "Fatima" umändern und ganz strikt nach dem Koran leben.
Zia Khans Fanatismus treibt ihn im Laufe des Buches aber noch zu ganz anderen Taten. Taten, die auch des öfteren mit Gewalt zu tun haben und bei denen er schließlich sogar in den internationalen Waffenhandel verwickelt ist.
Nagarkar zeigt in "Gottes kleiner Krieger", wie schmal der Grat zwischen religiöser Hingabe und Fanatismus sein kann. Anhand seiner Hauptfigur Zia Khan und dessen Familie sieht man, dass so etwas durchaus relativ leicht passieren kann und oft schon im Kindesalter anfängt. Denn vor allem Zias Tante hat - meiner Meinung nach - einen sehr großen Einfluss auf ihren Neffen ausgeübt und ihn zu einem so übertrieben religiösen Menschen gemacht. Wenn man sich das Verhalten der Tante gegenüber Zia näher vor Augen führt, fragt man sich an sehr vielen Stellen, wie man nur auf solch eine Art mit einem Kind umgehen kann.
Vor allem der Mix aus Familiengeschichte, den religiösen Überzeugungen der Hauptfigur und dem Konflikt der beiden Brüder macht diesen Roman so interessant.
Mit den Gründen des Fanatismus geht der Autor aber teilweise ein wenig zu oberflächlich um, es überwiegt oft die Familiengeschichte und der Bruder-Konflikt.
Denn auch wenn die Hauptfigur ein sprunghafter Mensch ist, wechselt sie doch<[i>sehr[/i] oft die Religion und begeistert sich einfach viel zu schnell für eine von ihnen. Ob es einfach daran liegt, dass Zia Khan stark an Neuem interessiert ist, oder ob er sich wirklich für Gott interessiert, will einem nicht immer so recht klar werden. Denn schon im Kindesalter benutzt er seinen Glauben eher um seine Tante und seine Eltern zu beeindrucken und guckt ihn sich sozusagen bei seiner Umwelt ab, als dass er selbst ein sehr gottesfürchtiger Mensch wäre. Im Laufe seiner Entwicklung verschiebt sich dies ein wenig, allerdings lässt sich trotzdem nicht genau sagen, worauf sich sein Interesse nun genau bezieht.
Kiran Nagarkar ist ein wirklich toller Erzähler. Er versteht es par excellence seine Leser zu fesseln und sie zum Weiterlesen zu zwingen. Es macht einfach Spaß seine Geschichte und die Entwicklung der Protagonisten zu verfolgen und das auf kanpp 700 Seiten. Eine tolle Leistung!
Fazit: "Gottes kleiner Krieger" erzählt auf wunderbare Art die Geschichte von Zia Khan, Spross einer indischen Familie, der ein sehr religiöser Mensch ist. Seine Religion bewertet er allerdings sehr oft über und interpretiert sie ebenso oft schlichtweg falsch.
Nur das Ende des Buches wirkt nicht recht überzeugend und scheint schlichtweg abstrus, weshalb es doch noch ein wenig Punktabzug gibt.