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 Die Puppenspieler


Cover
Gesamt ++++-
Brutalität
Gefühl
Humor
Spannung
Richard ist gerade mal zwölf Jahre alt, als er mit ansehen muss, wie seine Mutter auf dem Scheiterhaufen als Hexe verbrannt wird. Dadurch wird er aus seinem sonst so ruhigen Leben gerissen. Der Musterschüler des Klosters Wandlingen wandelt sich von einem auf den anderen Tag und während er vorher noch versuchte, gegen die Methoden und Befragungen des Inquisitors Heinrich Kramer zu argumentieren, erkennt er, dass es aussichtslos ist. Nach dem Tod seiner Mutter verfällt er in tiefes Schweigen. Seine schulischen Leistungen gehen zurück und die Mönche wissen nicht, wie sie dem Jungen beistehen können.

Seine Tante Sybille nimmt ihn zu sich nach Augsburg. Sie ist mit dem reichen Kaufmann Jakob Fugger verheiratet und so lernt Richard das Leben des gehobenen Bürgertums kennen. Obwohl die Schwägerin von Sybille sowohl ihn als auch Sybille immer wieder mit spitzen Bemerkungen angeht, lernt Richard sich in der Gesellschaft zu bewegen und er lernt wieder fleißig. Sobald er alt genug ist, möchte er die Welt erkunden und vor allem die Geschichten der Medici aus Florenz haben es ihm angetan. Die aufgeklärte Art des Denkens in Florenz ist für ihn ein Meilenstein der Geschichte und er setzt alles daran, dorthin auf die Universität zu kommen.

Doch zuerst muss er einmal erwachsen werden und so lernt er fleißig von Augsburgern Gelehrten und Jakob Fuggers schlauen Art der Geschäftsführung, die ihn und seine Familie zu großen Reichtum gebracht hat. In Augsburg wissen nur Sybille und Jakob Fugger von dem Tod von Richards Mutter auf dem Scheiterhaufen - doch wird Richard das Unwissen der anderen helfen oder wird ihn das Gespenst der Vergangenheit wieder einholen?

Zu Beginn des Buches wundert man sich etwas über den seltsamen Namen, den die Autorin dem Buch gegeben hat. Man fragt sich, was Puppenspieler mit der mittelalterlichen Stadt auf dem Cover und einer Geschichte aus der Zeit der Hexenverbrennung zu tun haben, doch wenn man die Figuren näher kennen lernt, so stellt sich heraus, dass Tanja Kinkel den Titel nicht besser hätte wählen können.
Geschichtlich gesehen spielt das Buch am Ende des 15. Jahrhundert. Es beginnt 1484, als Heinrich Insistoris die päpstliche Bulle und damit die offizielle Erlaubnis zur Hexenjagd bekommen hat. Dies mag eines der dunkelsten Ereignisse der Geschichte gewesen sein und die Autorin versteht es, die Atmosphäre des Mittelalters ebenso wie die Schrecken der Hexenjagd und die Reaktionen der Bürger in ihrem Roman zu verarbeiten.

Obwohl man vielleicht die Befürchtung haben könnte, mit Geschichtsdaten erschlagen zu werden, liest sich der Roman flüssig. Die Figuren bekommen ihren ganz individuellen Charakter und die Autorin versteht es so zu schreiben, dass der Leser eine automatische Zuneigung den verschiedenen Charakteren gegenüber entwickelt ebenso wie eine absolute Abneigung anderen gegenüber.
Meist wirkt Geschichte nur wie leere Zahlen und unvorstellbare Größen, doch Tanja Kinkel versteht es, das Augenmerk des Lesers auf einen bestimmten Fall zu konzentrieren und somit die Leiden der damaligen Zeit besser einfangen und vermitteln zu können.

Fazit: Mit diesem Roman bringt Tanja Kinkel dem Leser die abscheuliche Hexenverbrennung näher, welche besonders im 16. und 17. Jahrhundert viele tausend Menschen das Leben gekostet hat. Doch auch ohne den geschichtlichen Hintergrund bietet sie ein interessantes, gefühlvolles Werk.

Vera Schott



Taschenbuch | Erschienen: 1. November 1995 | ISBN: 9783442429554 | Preis: 10 Euro | 667 Seiten | Sprache: Deutsch

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