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Das Stichwort "Genetik" lässt bei vielen Menschen Ängste aufkommen, nicht nur wegen der Gentechnik, sondern auch, weil angeborene und erworbene Gendefekte schwere Krankheiten auslösen können - und ist es nicht angeblich auch so, dass Gene unser Verhalten steuern und wir also eigentlich gar nicht frei sind?
Der angesehene österreichische Humangenetiker Markus Hengstschläger geht in seinem Buch den Fragen nach dem Einfluss der Gene auf Körper, Geist und Seele nach. Unkompliziert und schwungvoll erklärt er, dass die genetische Ausstattung jedes Menschen weitgehend vom Zufall bestimmt ist, weil sich die Mischung väterlicher und mütterlicher, somit auch großväterlicher und großmütterlicher Gene und so weiter bei einer Genomgröße von 30.000 bis 40.000 Genen in keiner Weise vorhersagen lässt. Und der Besitz eines "krank machenden" Gens muss aufgrund unterschiedlicher Vererbungsgänge nicht in jedem Fall den Ausbruch der Krankheit zur Folge haben. Allerdings scheint es durchaus so, als ob wir uns potenzielle Partner und somit, aus rein biologischer Sicht, Eltern unserer Kinder unbewusst durchaus hinsichtlich guter Erbanlagen aussuchten.
In den ersten Kapiteln erhält der Leser gewissermaßen das wissenschaftliche Rüstzeug für die folgenden Ausführungen, in denen es um konkrete Auswirkungen einiger Gene geht. Viele der angesprochenen Fragen sind auf unseren modernen Lebensstil zurückführen: Inwiefern beeinflusst zum Beispiel das zunehmende Alter von Müttern (und Vätern) die Erbanlagen? Denn in den Eizellen, die ja nicht immer wieder neu gebildet werden, kommt es mit der Zeit zu immer mehr Fehlbildungen. Die Medizintechnik entwickelt Verfahren, die dem entgegenwirken können. Ist das sinnvoll?
Und inwiefern sind besondere Fähigkeiten von unseren Genen abhängig, die meisterliche Beherrschung einer Sportart zum Beispiel oder eines Musikinstruments? Wie viel trägt die Umwelt bei? Hierzu gibt es überraschende Ergebnisse. Ebenso könnte es interessant sein zu wissen, ob und in welchem Ausmaß Fettleibigkeit auf eine genetische Disposition zurückgeht oder auf erworbenes Verhalten. Rechtsanwälte dürfen in einem eigenen Kapitel über "Verbrechergene" aufmerken.
Hier zeigt sich schon, dass die Thematik auf dünnes Eis führt: Kann man einen Verbrecher als untherapierbar wegschließen, wenn er ein bestimmtes genetisches Merkmal besitzt? Soll man sich auf die Genmutation untersuchen lassen, die irgendwann im Lauf des Lebens zur unheilbaren Chorea Huntington führt, nur um gegebenenfalls in den verbleibenden gesunden Jahren pausenlos zu bangen? Kann ich meine Ernährung, mein Verhalten durch einen Gentest erfolgreich auf meine persönlichen Belange zuschneiden?
Der Themenbogen geht jedoch weiter, Kuriositäten wie die Frage nach möglicherweise noch lebenden Nachkommen Jesu Christi eingeschlossen, aber auch hin zu brennenden Fragen wie jener, ob es möglich ist, den Prozess der Alterung aufzuhalten.
Das Buch ist klar und logisch aufgebaut und doch immer wieder voller Überraschungen, denn die Genetik bestimmt unser Leben in erheblichem Ausmaß - aber nicht in allen Bereichen und selten ausschließlich, wie der Autor nachweist und betont. Er wirft konsequent ethische Fragen auf, die sich aus den vielen unterschiedlichen Themen ergeben, und erläutert diese sensibel und so objektiv wie möglich.
Das Buch ist ideal für Nicht-Naturwissenschaftler, die sich über den Einfluss der Gene auf verschiedene Lebensbereiche informieren möchten, denn der Leser benötigt keinerlei fachliche Vorkenntnisse. Der Autor weiß die dargestellten Sachverhalte sehr anschaulich und wunderbar verständlich zu erklären.
Dass man beim Lesen eines Sachbuchs zuweilen herzlich lachen muss - und zwar nicht über Fehler -, kommt selten vor. Markus Hengstschläger würzt seine Ausführungen jedoch immer wieder mit herrlich humorigen Einlagen und österreichischem Charme, dank derer die Lektüre trotz des ernsten Themas abwechslungsreich und kurzweilig wird.
Somit ist das Buch auf jeden Fall zu empfehlen. Der Mensch hat die Tendenz hin zu Ängsten und einer Scheu vor dem Neuen, das die Wissenschaft präsentiert. Vor allem die Angst beeinträchtigt die Lebensqualität, und man kann ihr nur begegnen, indem man sich informiert. Dazu leistet dieses Buch als Möglichkeit zum Einstieg einen guten Dienst.