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Dieses Buch hat wenig mit anderen populärwissenschaftlichen Texten zu diesem Thema gemein. Es gibt zwar in jedem Haibuch wenigstens ein Kapitel, welches sich mit Angriffen von Haien auf Menschen beschäftigt, aber oftmals liegen diesen Berichten weniger eigene Forschungen zugrunde als vielmehr die Effekt heischenden Darstellungen blutiger Details.
In dem Buch "Mit Haien sprechen" widmet sich der Autor erstmals differenziert der Interaktion zwischen Mensch und Hai. Dabei wird zunächst die alte Angst vor Haien näher betrachtet und in welchen Situationen sich Mensch und Hai üblicherweise begegnen.
Anschließend werden Körpersprache und Verhalten der Tiere vorgestellt, insbesondere die Sinnesorgane und dabei primär jene, welche bei der Begegnung Hai - Mensch eine Rolle spielen.
Natürlich werden auch Jagdstrategien und Fressverhalten untersucht, denn dieses Wissen kann in extremen Situationen den Ausschlag geben, wie die Interaktion ausgeht.
Darüber hinaus werden dem Leser die typischen Verhaltensweisen von Weißen Haien, Bullenhaien und Riffhaien näher gebracht, denn diese drei Haiarten sind am häufigsten in Interaktionen mit dem Menschen verstrickt beziehungsweise lösen Begegnungen mit diesen Arten die heftigsten Reaktionen beim Menschen aus.
Diese Begegnungen sind das Thema des nächsten Kapitels, in dem Erich Ritter sein Konzept ADORE-SANE ausführlich vorstellt.
Dabei steht ADORE für fünf Begriffe, welche den Hai betreffen, und SANE steht für vier Kriterien, die man beim Menschen berücksichtigen muss, wenn man eine Begegnung analysiert.
Dieses Konzept wird auch anhand alternativer Szenarien beispielhaft angewendet.
Die fünf Begriffe von ADORE lauten:
Erscheinungsbild, englisch Attitude (A)
Richtung (in die der Hai schwimmt), englisch Direction (D)
Ursprung (entspricht dem Punkt, an dem der Hai das erste Mal gesehen wird), englisch Origin (O)
Räumliche Beziehung (vom Hai zum Menschen), englisch Relation (R)
Umgebung, englisch Environment (E)
SANE hingegen bedeutet:
Situation, englisch Scenario (S)
Aktivität, englisch Activity (A)
Nervosität, englisch Nervousness (N)
Erfahrung, englisch Experience (E)
Anschließend beschreibt das Buch Themen, die in vielen anderen Büchern ebenfalls Eingang finden.
So erfährt der Leser zum einen, dass es sowohl Kulturen gibt, die Haie als Unheilsverkünder betrachten, aber auch als Götter verehren.
Im Zuge dieses Kapitels werden auch bestimmte Haiunfälle beschrieben, welche maßgeblich für das schlechte Image dieser Tiere verantwortlich sein dürften. Die Unfälle des Sommers 1916, bei denen vier Menschen ums Leben kamen und einer schwer verletzt wurde, werden dabei sehr genau beleuchtet.
Eine detaillierte Analyse der einzelnen Unfälle findet sich übrigens in dem Buch "Haiunfälle" von Erich Ritter und Gerhard Wegner, welches ebenfalls im Kosmos-Verlag erschienen ist.
Schließlich werden auch die Entstehungsgeschichte und die Evolution der Haie betrachtet sowie die Fortpflanzung, welche von Art zu Art sehr unterschiedlich sein kann. Einige Haie gebären beispielsweise lebend, während andere wiederum Eier legen und während wieder andere ihre Eier bereits im Mutterleib "ausbrüten".
Das vorletzte Kapitel beschäftigt sich mit der "Dichtung und Wahrheit über Haie", worin Mythen über Haie richtig gestellt werden und auch kontrovers diskutierte Themen wie die Fütterung von Haien diskutiert wird.
Abschließend stellt Erich Ritter seine Hai-Schule auf Walker?s Cay vor, einer Insel auf den Bahamas, und beantwortet darüber hinaus häufig gestellte Fragen zu dem Thema Haie, zum Beispiel "Können Haie Menschenblut riechen?" oder "Lockt Urin Haie an?"
Das Buch ist ein weiteres Werk, welches von "Shark Project" gesponsert wurde, und vermittelt eine deutliche Botschaft: Haie sind Tiere wie alle anderen auch und haben ihr schlechtes Image einem Rufmord zu verdanken, der sich auf Irrtümer und Filme stützt. Im Prinzip sind diese Tiere unverstandene Kreaturen, deren Körpersprache oftmals falsch interpretiert wird.
Das Buch ist sehr professionell und wissenschaftlich geschrieben worden, dabei aber immer noch leicht verständlich und auch für den Laien gut zu lesen. Teilweise ist der Stoff allerdings sehr theoretisch aufgebaut und für Leser, welche noch nie einen Hai gesehen haben oder auch noch nie getaucht sind, stellt sich häufig die Frage, ob bestimmte Verhaltensregeln für jedermann anwendbar sind. Stellenweise bekommt man den Eindruck, eine gut überarbeitete Diplom- oder Doktorarbeit zu lesen.
In den meisten Szenarien geht der Autor von der Situation aus, dass der Taucher oder Schwimmer den Hai sieht. Bei vielen Unfällen ist dies aber nicht der Fall. Das Buch sollte also keinesfalls als Handbuch zum Vermeiden von Haiunfällen verstanden werden, sondern einfach als Leitfaden, wie man mit Haien umgehen sollte und wie man diese Tiere besser begreifen kann.
Erich Ritter liegt in seinem Werk viel Wert auf eine differenzierte Wortwahl. Es gibt für ihn keine "Haiattacke", es sind Unfälle, welche durch eine Verkettung unglücklicher Umstände zustande kommen. Eine Botschaft, die schon in dem oben erwähnten Buch
"Haiunfälle" deutlich zum Tragen kommt. So wird der Mensch auch niemals als Beute oder Opfer bezeichnet. Der Mensch ist nämlich für den Hai immer ein Fremdkörper, der auf keinen Fall in das übliche Beuteschema eines Hais hineinpasst.
Nicht umsonst wird im Vorwort darauf hingewiesen, dass dieses Buch anders ist als andere Haibücher.
Der vorliegende Band bietet darüber hinaus faszinierendes Bildmaterial, das zu einem Großteil von dem Autor selber stammt. Dass ein Bild, welches Erich Ritter vor zwei Bullenhaien im brusttiefen Wasser zeigt, gleich viermal verwendet wurde, ist allerdings ein wenig verwirrend. Die Bilder unterscheiden sich zwar in Kleinigkeiten, zeigen im Prinzip aber immer dieselbe Situation.
Die Aufmachung ist dagegen hervorragend, auch wenn es keinen separaten Schutzumschlag gibt. Die einzelnen Seiten bestehen aus Hochglanzpapier und das 270 Seiten starke Werk wurde stabil gebunden, so dass es auch dem häufigen Gebrauch standhält.
Ein Buch, welches das Verhältnis von Mensch und Hai zum Positiven hin beeinflusst und einen tiefen Einblick in das Leben der Haie gewährt. Dem Band merkt man auf jeder Seite aufs Neue an, dass der Autor mit viel Herzblut an seiner Arbeit hängt, und er verdeutlicht immer wieder, wie wichtig der Schutz der Haie nicht nur für die Arten an sich ist, sondern für das gesamte Ökosystem Meer und damit schlussendlich für die Menschen selbst.