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"Nora" heißt der Roman von Pia Frankenberg und so lautet auch der Name der Protagonistin - einer Mittvierzigerin, die vor zwei Jahrzehnten aus Deutschland fort und nach New York gezogen ist und Probleme hat, feste Bindung einzugehen. Doch die verschlossene Nora ist nicht die einzige Person, um die es sich in diesem Buch dreht. Eines Tages sieht sie einer Fernsehreportage Amy, eine junge Amerikanerin, die in einem Vorort in New Jersey eine Bilderbuch-Ehe führt - bis ihr Mann beim Attentat auf das World Trade Center ums Leben kommt.
Nach dem Anschlag werden in Nora alte Ängste wieder wach, und sie begreift, dass ihre Vergangenheit immer noch präsent ist: Auch ihr Leben wurde einst vom Terror aus der Bahn geworfen. Als der Zufall sie mit Amy zusammenführt, steigert sich ihr Mitgefühl, ihre Identifikation mit der Fremden, zur Obsession. Sie will wissen, was aus Amy wird, und folgt ihr. Nora wird zur Stalkerin.
Auch wenn es im ersten Moment so klingt, geht es nicht vornehmlich um das Thema Stalking, sondern vielmehr um eine behutsame Aufarbeitung traumatischer Ereignisse in der Vergangenheit. Beide Frauen, deren Lebenswege sich kreuzen und die auf den ersten Blick nicht viel gemeinsam haben, erlebten und erleben auf unterschiedliche Art und Weise den Umgang mit Terrorismus.
Amy verliert durch Terroristen ihren Mann und damit ihre heile Welt. Nora wurde im Deutschland zur Zeit der Roten Armee Fraktion (RAF) durch eine Verleumdung aus dem nahen Umfeld fälschlicherweise für eine Terroristin gehalten und verlor dadurch das Vertrauen in andere Menschen. Beide Frauen leben in den USA, einem Land, das durch Terrorismus viel Leid zugefügt wurde, das aber gleichzeitig mitunter zu schnell folgenschwere Verdächtigungen ausspricht.
Frankenberg hat mit "Nora" einen Roman geschrieben, der sich auf sensible Weise mit schweren Schicksalen befasst, sich kritisch mithilfe der literarischen Figuren mit der politischen Situation nach dem 11. September 2001 auseinandersetzt und trotz der indirekten heftigen Kritik an der amerikanischen Politik auch zeigt, wie sehr der Erzähler und damit vielleicht auch die in New York lebende Autorin ihre Wahlheimat USA schätzt.
Der Anfang des Buches ist durch die vielen familiären Beziehungen beider Hauptfiguren etwas konfus. Doch wer sich durch die ersten vierzig Seiten müht, findet einen gelungene Geschichte über die Macht der Vergangenheit und die der Zerbrechlichkeit des Glücks und eine Beschäftigung mit den USA, die sich nicht der gängigen Vorurteile bedient. "Nora" ist ein Roman über Schicksalsschläge und Selbstbehauptung und über die destruktive und heilsame Kraft der Liebe.