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 Expeditionen

Ins Herz der Finsternis


Cover
Gesamt +++++
Anspruch
Aufmachung
Brutalität
Leitbarkeit
Preis - Leistungs - Verhältnis
Spannung


Expeditionen in die entlegendsten Winkel unserer Erde sind ein fester Bestandteil lovecraftscher Geschichten, man denke nur an das geniale "Berge des Wahnsinns". Dies ist nicht verwunderlich, wenn man bedenkt, dass zu Lovecrafts Zeiten, dem frühen 20. Jahrhundert, die Landkarte noch beträchtliche weiße Flecken aufwies. Nun hat sich Pegasus dieses Themas angenommen und mit "Expeditionen - Ins Herz der Finsternis" einen Abenteuerband veröffentlicht, der Meister und Spieler in fünf Abenteuern mit dem großen Unbekannten jenseits der zivilisierten Welt konfrontiert. Die im Titel enthaltene Anspielung auf Joseph Conrads postkolonialen Roman "Herz der Finsternis" ist Programm. Jenseits der Grenzen von Zivilisation und Kultur herrscht Dunkelheit, die erst der zivilisierte Mensch mit der Fackel des Verstandes erleuchten kann. Doch manche Geheimnisse sollten besser weiterhin von einem Schleier aus dunklem Vergessen umgeben bleiben.

Bevor es mit den Abenteuern losgeht, ist in dem Band ein vierzehnseitiges Essay von Steffen Schütte abgedruckt, das sich intensiv mit dem Thema Expeditionen auseinandersetzt. Bereits hier lassen sich zahlreiche weitere Abenteuerideen herausziehen. Daran angehängt ist ein kurzer Regelteil aus der Feder Peer Krögers, der sich der Logistik einer Expedition angenommen hat und diese in einfache Regeln packt, um sie im Spiel ohne das Führen umfangreicher Excel-Listen bewältigen zu können.

Das erste Abenteuer Ewiges Eis von Sebastian Weitkamp führt die Charaktere von Deutschland über Schweden bis nach Grönland. Dabei werden sie nicht nur mit Anhängern nationalistischem Gedankentums, sondern auch mit eines uralten Kultes, der eine neue Eiszeit anbrechen lassen möchte. Das Abenteuer weist einige schöne und originelle Ideen auf, so zum Beispiel Auszüge eines Mythoswerkes, welche auf Phonographenwalzen gesprochen wurden. Als Spielleiter sollte man sich allerdings darauf vorbereiten, dass die Spieler nicht dem vorhergesehenen Lauf des Abenteuers folgen wollen und die Episode in Schweden zugunsten eines längeren Berlin-Kapitels entfallen kann.

Herz der Finsternis führt die Charaktere tief hinein nach Belgisch Kongo, ins Herz Afrikas. Der Autor Ingo Ahrens hat sich dabei stark von Joseph Conrads gleichnamigem Roman beeinflussen lassen, denn die Charaktere sollen niemand geringeren als den Roman-Antagonisten Kurtz finden. Das Abenteuer geht von der Prämisse aus, dass der Protagonist Marlow wirklich existiert und seine Reise stattgefunden hat. Die schriftliche Niederlegung seiner Erlebnisse durch den Autor Joseph Conrad ist dabei jedoch nur eine entschärfte Version - die Realität sah schlimmer aus. 27 Jahre später, im Jahr 1925, machen sich schließlich die Charaktere mit einer Expedition auf den Weg, nach einem mystischen Tier zu suchen. Dies ist jedoch nur ein Vorwand für eine viel gefährlichere Suche. Der Autor empfiehlt das Abenteuer erfahrenen Cthulhu-Spieler und Spielleiter, was durchaus angebracht ist, spielt sich der Horror doch zum Großteil auf psychologischer Ebene ab.

Das nächste Abenteuer Curso Cannibale überrascht einen der Charaktere mit einer millionenschweren Erbschaft - wenn sich dieser bereit erklärt, an einem Wettrennen gegen einen Konkurrenten teilzunehmen. Der Sieger bekommt das Geld, der Verlierer geht leider leer aus. Doch das Wettrennen führt in die grüne Hölle Brasiliens, wo - wie der Name des Abenteuers schon andeutet - gewisse Leute eine ganz besondere Küche pflegen. Curso Cannibale ist ein Abenteuer, das sich vor allem gut für Anfängercharaktere eignet, wenn auch nicht unbedingt für Anfängerspieler, da es für diese wohl eine Spur zu hart sein dürfte. Sehr schön ist hier, dass der versprochene Reichtum am Ende der Expedition auch wirklich eintritt, und nicht - wie bei so vielen Rollenspielabenteuern - nur als Anreiz zu Beginn dient, die Erfolgschancen im Laufe des Abenteuers dann jedoch auf Null sinken. Hier kann ein Charakter als Millionär herauskommen, wenn auch möglicherweise zu einem hohen Preis, der der Bezeichnung Horrorrollenspiel durchaus gerecht wird. Wohl bekomm’s!

Ist Curso Cannibale ein Abenteuer, das eher für Anfangscharaktere geeignet ist, so bietet Die vergessene Stadt von Michael Cisco einen gute Abwechslung für erfahrene Investigatoren, die bereits einige Kontakte mit dem Mythos hinter sich haben und mit der sogenannten Cthulhu-Matrix "vertraut" sind. Das Abenteuer, das in einer Inkastadt in den Anden spielt, ist auch das einzige in diesem Band, das kein deutsches Original ist, sondern erstmals in dem Pagan Publishing-Szenarionband "Mortal Coils" unter dem Titel "God of the Mountain" erschienen ist. Allerdings wurde es von der deutschen Redaktion bearbeitet und um einige Zusatztexte erweitert. Einen Großteil seines Reizes zieht es daraus, dass die Handlung abseits jeglicher Erwartung selbst erfahrener Cthulhu-Spieler verläuft. Dennoch lässt es den Charakteren viele Freiheiten und hat eine eher lose Abfolge von Ereignissen. Aus diesem Grund sei es auch nur einem erfahrenen Meister ans Herz gelegt, der weiß, wie er seinen Spielern Angst einjagen kann.

Die letzte Ruhe der Minna B. aus der Feder von Peer Kröger führt die Charaktere auf die Suche nach einem Schiffsfriedhof Neuguinea - auch wenn das Schiff, von dem die Rede ist, eigentlich vor der Küste Norwegens verschwunden ist. Das Abenteuer spielt im Gegensatz zu den übrigen in diesem Band in der Gaslight-Epoche, es kann allerdings auch - dank eines separaten Textkastens mit Tipps - ohne größeren Aufwand in die 1920er verlegt werden. Das Abenteuer eignet sich gut für Spieler, die sich als Ausgleich zu den langen Recherchearbeiten auch einmal etwas Action wünschen, da der Spielleiter bei diesem Plot die Möglichkeit zu einem großen Endkampf gegen cthuloides Gezücht hat. Teilnahme daran wie immer auf eigene Gefahr!

"Expeditionen - Ins Herz der Finsternis" hält eine gute Mischung an Abenteuern bereit. Sowohl Ansprüche von Einstiegscharakteren beziehungsweise -spielern (zum Beispiel Curso Cannibale), als auch Plots für fortgeschrittene Cthulhu-Ermittler (Die vergessene Stadt) werden berücksichtigt. Darüber hinaus eignen sich eine Abenteuer auch gut als One-Shots für spontane Cthulhu-Abende oder Spielrunden auf Cons. Mehr noch als beim Vorgängerband "Geisterschiffe" besteht bei "Expeditionen" die Möglichkeit, mehrere der enthaltenen Abenteuer hintereinander zu spielen, ohne dass eine solche Reihung ähnlicher Themen zu unglaubwürdig wirken würde. Daher kann "Expeditionen" jedem Cthulhu-Spielleiter ans Herz gelegt werden, der seine Spieler auf waghalsige, spannende und - vor allem - nervenaufreibende Entdeckungsreisen in die entlegendsten Winkel unserer Erde schicken will.

Markus Goedecke



Hardcover | Erschienen: 1. August 2006 | ISBN: 3937826866 | Preis: 24,95 Euro | 171 Seiten | Sprache: Deutsch

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