In dem strategischen Brettspiel, das der Heidelberger Spieleverlag in deutscher Sprache vertreibt, dreht sich alles um das bekannte und beliebte Marvel-Universum. Die Spieler übernehmen gleichermaßen die Rolle eines vierköpfigen Marvel-Teams, die X-Men, die Fantastic Four, die Avengers oder die der Marvel Knights, außerdem die Rolle eines im Spiel befindlichen Erzbösewichtes. Es gilt, ein von Anfang an vorgegebenes Szenario erfolgreich abzuschließen - oder auf dem Weg dorthin zumindest so viele heldenhafte und ruhmreiche Taten wie möglich zu bestehen.

Was bei diesem Brettspiel als erstes ins Auge fällt, sind die Figuren. Zwanzig Miniaturen liegen dem Spiel insgesamt bei, und eine harrt komplett farbig und entsprechend detailliert im Karton auf ihren Einsatz - grandios!
Ansonsten zeigt sich das strategische Spiel als klassisches Brettspiel, das in Begleitung zahlreicher Karten, Würfel und Pappmarken daher kommt.

Das Spielbrett zeigt New York und unterteilt die einzelnen Stadtviertel farbig. Einem jeden Viertel werden im Verlauf des Spiels immer wieder neue Ereignisse zugeordnet, zu denen ein Spieler seine Helden schicken kann, um das Gute zu bewahren. Doch Heldentaten zu bestreiten, ist nicht so einfach, wie es aussieht - jederzeit können sich den Helden Schurken in den Weg stellen und manchmal ist es gar der Oberschurke persönlich, der den Helden einen Strich durch die Rechnung zu machen versucht. Ist dies der Fall, so wird es besonders hart für die Superhelden - denn immerhin hat der Oberschurke nicht nur einen Ruf zu verlieren, sondern ist auch entschlossen, seinen Masterplan schrittweise in die Tat umzusetzen - und dieser macht ihn stärker, immer dann, wenn er erfolgreich war.

Das gelungenste Element des komplexen Spiels ist sicherlich viel eher die böse statt die gute Seite. Jeder Mitspieler übernimmt neben seinem Team zusätzlich den Erzbösewicht des zur Rechten sitzenden Mitspielers und versucht, dessen Masterplan umzusetzen. Davon abgesehen sind es stets auch die anderen Mitspieler, die Schurken generell einsetzen können. Zwar lassen sich die Helden durch Superfertigkeiten und Verbündete beispielsweise verstärken, doch dem stehen die Schurken in nichts nach.

Der Ablauf des Spiels selbst gestaltet sich leider recht zäh. Zunächst ist eine recht hohe Vorbereitungszeit vonnöten, denn anderthalb bis zwei Stunden sollte man auf jeden Fall einkalkulieren, bevor man die sechzehnseitige Spielanleitung komplett gelesen und verstanden hat. Problematisch hierbei ist, dass einzelne Spielvorgänge getrennt voneinander erklärt und beschrieben werden. Zwar ist die Spielregel an sich sehr hochwertig, komplett farbig, eigens illustriert und mit zahlreichen Beispielen versehen, durch das Auseinanderreißen verschiedener Aktionen vollzieht sich das Verständnis für das Spiel beim Leser jedoch nur ausgesprochen schwerfällig.

Hat man sich durch diese Hürde gekämpft, so stellt man rasch fest, dass das Spiel nichts von der Action und dem Leichtfüßigen der Marvel-Comics hat. Eher streng teilt sich das Spiel in maximal fünf Spielrunden auf, die jeweils in fünf Aktionsrunden unterteilt sind. In jeder Aktionsrunde gibt es wiederum drei Phasen (Vorbereitung, Planung, Durchführung), in der jeweils verschiedene Handlungsoptionen möglich sind - puh …
So manche Handlungsoption scheint hierbei zudem eher unschlüssig und aus der Verzweiflung geboren, dem Spiel noch weitere Elemente hinzuzufügen. So ist die Option, die Gesamtstory voranzutreiben, beispielsweise ziemlich sinnfrei. Hierbei besteht die Möglichkeit, eine offen ausliegende Karte zu ziehen, und wenn diese zum eigenen Team gehört, bekommt man einen Siegpunkt.
Das einzig Schöne an diesen Storykarten ist ihre Gestaltung. Wie auch bei der Aufmachung sämtlicher Karten und des Spielbrettes hat man sich bemüht, das Ganze im Comicstil beziehungsweise im typischen Marvel-Stil darzustellen, so dass zumindest wahre Comicfreunde sich an diesem Spielmerkmal erfreuen können.

Marvel Heroes ist ein durchdachtes Brettspiel, das sowohl strategische Elemente als auch das Zufallsprinzip in sich vereint. Die Inhalte sind enorm - was bei der Gestaltung zu wahren Begeisterungsstürmen hinreißt, sich beim Spielprinzip aber eher als Falle entpuppt. Wer Marvel liebt, der liebt Action, Nervenkitzel und kurzweilige Unterhaltung, doch das Spiel bietet hohe Komplexität, zahllose Strategien und sich dennoch teils recht stupide wiederholende Runden. Diese Kombination ist sehr ungeschickt, und so wird das Brettspiel viele Comicfans vermutlich enttäuschen. Wer hingegen Wert auf lang dauernde Brettspielpartien mit vielen Möglichkeiten legt, der wird seine Freude an diesem Spiel haben.