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Aus dem Jahr 1915 stammt die Vorlage zu dem besprochenen Hörbuch mit dem Titel "Das Wirtshaus der beiden Hexen". Die Kurzgeschichte ist aus der Feder des englischsprachigen Schriftstellers Joseph Conrad und heißt im Original "The Inn of the Two Witches: A Fond". Der Argon Verlag ließ sie nun von Wolfgang Schiffer sprechen; das Ergebnis ist eine Lesung mit einer Länge von etwa 79 Minuten.
Der junge Offizier Byrne ist auf einer Schiffsreise an der spanischen Küste entlang unterwegs. Der Kapitän des Schiffes entsendet einen seiner erfahrensten und besten Matrosen an Land, einen Mann namens Cuba Tom - der nicht selbst aus Kuba stammt, sondern nur viele Abenteuer dort erlebt hat -, um dort einen Auftrag zu erfüllen. Byrne begleitet ihn an Land, bleibt jedoch in der Nähe der Küste zurück, während Cuba Tom allein losmarschiert. Er muss zu Fuß aufbrechen, denn die Bewohner des Dorfes, in dem sie einkehren, behaupten, kein Reittier zu besitzen, das sie ihm mitgeben könnten - eine Lüge, wie Byrne kurze Zeit später herausfindet. Denn ein zwielichtig wirkender Mann mit gelbem Hut klärt ihn auf. Der Wirt der hiesigen Schänke hat tatsächlich ein Maultier im Stall stehen, will es jedoch nicht herausrücken. Allem Anschein nach handelt es sich um einen bösen, kaltherzigen Mann ohne Gewissen. Der Fremde mit dem gelben Hut teilt Byrne noch andere, interessante Dinge mit, die Byrnes Neugier wecken; nachdem er sich mit seinem Kapitän abgesprochen hat, kehrt er an Land zurück und reist Cuba Tom nach.
Byrne erreicht schließlich bei Einbruch der Nacht ein Wirtshaus, das von drei Frauen geführt wird, zwei alten und einer sehr jungen, die beinahe noch ein Mädchen ist. Der Seemann kehrt hier für die Nacht ein. Doch dann macht er im Schrank seines Zimmers eine grausame Entdeckung - die Leiche Cuba Toms!
Liest man den Titel und die kurze, prägnante Inhaltsangabe der Kurzgeschichte auf der Rückseite der CD-Papphülle, so dürfte sich der Leser auf eine spannende Kriminalgeschichte mit mysteriöser Note freuen. Hexen, ein Mord und mittendrin ein junger Mann in Gefahr - genug Stoff für Spannung sollte also gegeben sein.
Leider aber erweist sich der Inhalt von Conrads Geschichte als wenig geeignet für ein aufregendes, unterhaltsames Hörbuch. Obwohl Wolfgang Schiffer eine tadellose Lesung vorträgt, passen weder Conrads detailverliebter Stil noch die Beschaffenheit der Geschichte selbst zu der Inszenierung eines Hörbuchs. Die Einleitung, bis der junge Matrose endlich das besagte Wirtshaus erreicht, ist stilistisch zwar einwandfrei, erzeugt aber auch keinerlei Spannung, sondern lediglich mildes Interesse ob der Ereignisse, die noch kommen mögen.
Doch auch, als schließlich der Ort des Verbrechens erreicht ist und der Seemann nach und nach herausfindet, was geschehen ist, will sich keine rechte Intensität einstellen. Zu distanziert bleiben der ausladende Stil und die weitschweifeigen Erklärungen und Beschreibungen. Während diese Dinge beim Lesen Stimmung und Atmosphäre erzeugen und dem Leser helfen, sich ein Bild der Situation zu machen, wirken sie beim Zuhören langatmig und anstrengend.
Wolfgang Schiffer holt verbal alles aus Joseph Conrads Kurzgeschichte heraus. Doch gegen den ausschweifenden und bisweilen langatmigen Stil des Autors ist er machtlos. Für Fans des englischsprachigen Conrad ist der Kauf bei diesem geringen Preis aber nicht der schlechteste.