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Da werden doch mal endlich ein paar Geheimnisse gelüftet: Maria, von manchen als heilige Jungfrau verehrt, erzählt aus ihrem teilweise harten, teilweise auch sehr schönen Leben und von ihren vielen Kindern. Ein freches und für viele sicherlich lästerliches Buch, aber unbedingt ein spannender Blick auf eine so bekannte Geschichte.
Nun, der Name Maria kommt nie vor; dass sie gemeint ist, ist allerdings immer klar. Also: Eine Frau in mittlerem Alter begleitet das Sterben ihres sehr viel älteren Mannes. Dabei denkt sie über ihr Leben nach und lässt ihre Geschichte Revue passieren. Als junges Mädchen in Kana in Galiläa gerade zehn, elf Jahre alt, wird sie von ihrem Vater missbraucht. Im Alter von zwölf ist sie von ihrem Vater schwanger, wird an einen älteren Zimmermann aus Nazareth quasi verschachert. Dem schwindelt sie vor, Gott hätte sie besucht und geschwängert, um ihr Kind zu schützen.
Der Mamser - das heißt "Kind einer verbotenen Beziehung" -, wie sie ihren Sohn für sich nennt, wächst als Erstgeborener auf, bekommt jede Menge Geschwister und er heiratet nie, denn er ist nun mal ein Mamser, und heiratete er, würde er Gottes Zorn auf sich und seine Nachfahren ziehen. Für sich nimmt er Gott als Vater an, da er nicht akzeptieren will, dass sein sündiger Großvater mit ihm noch irgendwas zu tun hat.
Jeder mag den Mamser, na, bis auf den nächstjüngeren Bruder Jaakov vielleicht, der mit des Mamsers großer Liebe Hadassah verheiratet ist, der alle Unarten des "Hölzernen" - so nennt Maria ihren Mann - geerbt hat. Wenn der Hölzerne tot ist, wird der Mamser davon ziehen, und dieser Abschied ist viel schlimmer für Maria als das Sterben ihres Mannes.
Ein ruhiges kleines Buch, eineLebensgeschichte mit vielen traurigen, vielen schönen Momenten, und sicherlich auch eine tolle Geschichte, wenn es nicht ganz definitiv um die sogenannte heilige Familie ginge. Jesus als Produkt des Inzests, Josef der ungeliebte alte Ehemann einer Zwölfjährigen, und nicht zu vergessen Maria, die auch noch ein weiteres Kind ihrem Mann unterschiebt, das weder aus heiligem Geist noch aus den Lenden des Josef entsprang, sondern Sohn ihres Geliebten ist. Das klingt nach verflixt hartem Tobak. Und der Mamser selbst ist ein gemütlicher Mann, isst und trinkt gern, lässt sich gern bewirten, mag aber nur ungern arbeiten. Und irgendwie hat er Ideen, die sich gut zu einer Religion ausarbeiten ließen.
Aber so harter häretischer Tobak ist "Das Geschenk" eigentlich gar nicht. Dafür geht Autorin Maria Elisabeth Straub viel zu vorsichtig und freundlich mit dem Thema um. Der ganze Roman verfolgt nie aggressiv ein Thema, sondern er erzählt, und das auf absolut gekonnte Weise. Das ist nie langweilig, oft sehr humorvoll und trotz allem auch sehr respektvoll. Letztendlich sagen Maria und ihr Mamser viele Sachen, die wir irgendwie aus der Bibel kennen, werden die Geschichten der Bibel sanft und mit einem Augenzwinkern unterfüttert. So ist es Marias große Sorge, ob Jesus sich auf dieser Hochzeit in Kana blicken lassen wird. Und das er nicht zu sehr so wird wie sein verrückter Cousin Jochanaan, in dem man unschwer Johannes den Täufer erkennt.
Mit ein bisschen religiöser Toleranz vorausgesetzt, kann man hier eine wunderbare Geschichte neu und eine tolle Erzählerin für sich entdecken.