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 Das Licht ist wie das Wasser

Geschichten von der Liebe und anderen Dingen

Autoren: Gabriel García Márquez
Illustratoren: Joachim Knappe
Verlag: Fischer

Cover
Gesamt +++++
Anspruch
Aufmachung
Preis - Leistungs - Verhältnis
Spannung


"Das Licht ist wie das Wasser. Geschichten von der Liebe und anderen Dingen" vereint Geschichten von Gabriel Garcia Marquez aus den Jahren 1962 bis 1992. Drei Jahrzehnte dieses großen Autoren, angerissen und komprimiert in elf Kurzgeschichten.

An einem dieser Tage
Don Aurelio Eccobar ist Zahnarzt ohne Diplom. Eigentlich wollte er in Ruhe ein Gebiss fertig stellen und polieren, doch der Bürgermeister will ihn sprechen. Escobar lässt sich verleugnen, doch der Mann gibt nicht auf. Seit fünf Tagen hat er fürchterliche Schmerzen und nun ist seine Verzweiflung größer als seine Angst. Der Zahn muss raus.

Ein Tag nach dem Samstag
Pater Antonio Isabel hat dreimal den Teufel gesehen. Die Dorfbewohner halten den Neunzigjährigen für verrückt und kommen kaum mehr zu seiner Predigt. Doch als immer mehr tote Vögel vom Himmel fallen und der alte Mann vom "ewigen Juden" spricht, wendet sich das Blatt.

Künstliche Rosen
Mina gibt vor, ihre nassen Ärmel wären Schuld. Sie geht nicht zur Messe. Doch eine Blinde gibt ihr zu verstehen, dass die eigentliche Ursache ein Mann sei, den Mina trifft. Die Alte scheint hellsehen zu können. Nichts entgeht ihr, über alles scheint sie genauestens informiert zu sein. Die Alte lächelt - wer blind ist, ist nicht taub und schon gar nicht dumm.

Das Leichenbegängnis der großen Mama
Die große Mama ist tot. Alle kommen zu ihrem Begräbnis. Ihr, der wahren Herrscherin des Landes, der dank ihrer langen Ahnenreihe naturgemäß Herrschenden und Allmächtigen, erweisen sogar der Präsident, obwohl er sie einen Tag vorher noch nicht mal ihren Namen kannte, ja sogar der Pabst die letzte Ehre.

Dienstagnachmittag
Eine Frau und ein kleines Mädchen sind allein in ihrem Zugabteil. Ernst aber gefasst warten sie. An der Station steigen sie aus und überqueren in der sengenden Hitze den großen Platz. Das Dorf ist wie ausgestorben. Niemand scheint wach zu sein. Die Frau geht zur Kirche, klopft und begehrt Einlass. Sie lässt sich nicht abweisen und verlangt den Pfarrer zu sprechen. Sie will zu einem Grab. Zum Grab des vor einer Woche ermordeten Diebes, ihrem Sohn.

Baltazars wundervoller Nachmittag
Der arme Baltazar hat zwei Wochen für den Vogelkäfig gebraucht. Er weigert sich, ihn dem Arzt zu verkaufen, denn Pablo hat ihn bestellt. Er eilt zu ihm, um den Käfig, den alle bewundern, zu übergeben. Doch dessen Vater weigert sich, ihn anzunehmen.

Ein sehr alter Herr mit riesengroßen Flügeln
Das Leben von Pelayo und Elisenda ändert sich schlagartig, als sie eines Morgens einen Greis unweit ihrer Hütte finden, der Flügel hat. Der "gefallene Engel" wird eingesperrt und bald schon können sie das Geld nicht mehr zählen, dass sie als Eintritt von denen verlangen, die den "Engel" zu sehen trachten.

Die letzte Reise des Gespensterschiffs
Jeden März jeden Jahres sieht er den gewaltigen Dampfer am Dorf vorübergleiten. Gespenstisch erscheinend und verschwindend im Licht des Leuchtturms. Riesenhaft, höher als der Kirchturm, um ein Vielfaches länger als das ganze Dorf, lautlos im Dunkel verschwindend ...

Maria dos Prazeres
Eine alte Hure hat einen Traum und deutet ihn als ihren bevorstehenden Tod. Sie kauft sich ein Grab, bringt ihrem Hund bei, dieses Grab allein zu finden, um sie des Sonntags zu besuchen, und macht sich darauf gefasst, zu sterben. Als sie Ihn trifft, ist sie sicher, ihre Zeit sei gekommen. Doch plötzlich wird sie gewahr, dass sie ihren Traum falsch gedeutet hat, dass sie auf Ihn gewartet hat, nicht auf den Tod.

Der glückliche Sommer der Frau Forbes
Die Kinder sind sich sicher, dass Frau Forbes verrückt ist. Warum ist sie so hart, so unnachgiebig und so streng, wenn sie jede Nacht, wenn sie die Kinder schlafend wähnt, in ihrem Nachthemd Kuchen verspeist, Wein trinkt und lachend Gedichte rezitiert? Sie beschließen den Tod der Lehrerin.

Das Licht ist wie das Wasser
Die Jungen wünschen sich ein Kanu. Mitten in der Stadt, im fünften Stock. Ihr Vater gibt nach und die Jungen schaffen das Boot durch das Treppenhaus bis ins Dienstbotenzimmer. Die Eltern ahnen nicht, dass ihre Söhne an jedem Kinoabend eine Birne zerschlagen und Licht in das Wohnzimmer strömen lassen. Drei Handbreit hoch lassen sie das Licht in die Wohnung fließen und fahren den ganzen Abend mit ihrem Kanu durch das Zimmer.

Der Literaturnobelpreisträger Gabriel Garcia Marquez ist einer der bekanntesten Autoren Südamerikas. Der Kolumbianer beweist seit über fünf Jahrzehnten, dass anspruchsvolle Literatur unterhaltsam und auch im Massenmarkt erfolgreich sein kann. Wie in einem orientalischen Märchen verwebt Marquez in seinen Geschichten Wirklichkeit mit Fiktion, Glück mit Tragik, Albernes mit Ernsthaftem.
Seine Erzählungen sind ein überbordender Quell von Ideen, sein Einfallsreichtum ist beeindruckend. Markantestes Merkmal seiner Geschichten ist deren Unvorhersehbarkeit. Der Leser wird in die Geschichte hineingesogen und erlebt, dank der plastischen, oft sehr direkten Schilderungen des Autors, unmittelbar das Geschehende. Er wird Teil der Geschichten, auch ihm scheint der Schweiß auf der Stirn zu stehen oder ein Schauder über den Rücken zu laufen. Die unvermuteten Wendungen und Ereignisse der Geschichte faszinieren und lassen nicht los. Erst auf den letzten Zeilen erschließt sich die Geschichte, deren Moral oder Aussage, deren Ziel oder die Ausweglosigkeit der Menschen. Mit leichter Hand, ohne zu verurteilen, ohne Pathos oder Klischees, lässt Marquez die "einfachen Leute", die Armen, die Verlorenen zu Wort kommen, gibt ihnen ein Gesicht und eine Stimme.
Seine Moralität und Integrität beweist er durch die Handlungen seiner Figuren, durch die Menschlichkeit seiner Handelnden. Immer aber ist er auch politisch. Er prangert an, er schreit das Unrecht hinaus, er leidet mit seinen Verlierern. Nicht vordergründig, nicht marktschreierisch, nicht als Pamphlet, sondern einzig durch die Zwangsläufigkeit, durch das Schicksalhafte der Geschichten und der Geschehnisse.
Oft ist es nur ein einziger Satz, der aus einer einfachen, schlichten, wenig interessanten Geschichte ein Juwel, ein Kunstwerk macht. Ein Beispiel hierfür ist die sehr kurze, ereignislose und vordergründig nichtssagende Geschichte des Arztes in "An einem dieser Tage". Ein einziger Satz des Arztes macht aus diesem winzigen Ausschnitt eine Anklage, ein politisches Fanal.
In "Dienstagnachmittag" ist es sogar nur die Stille, etwas nicht Ausgesprochenes, das diese Geschichte so faszinierend werden lässt. Ähnlich geht Marquez in "Künstliche Rosen" oder Maria dos Prazeres vor. Das nicht Gesagte, das Verschwiegene macht den Kern dieser Geschichten aus.
Ganz anders sind die grotesken, die fantastischen, die absurden Geschichten. Sie sind voller Humor, verschmitztem Augenzwinkern und poetischer Melancholie. Bestes Beispiel ist die letzte Geschichte. Sie ist wundervoll und seltsam, zart und traumhaft schön. Aber auch absurd und unverständlich.

Die jeder Geschichte vorangestellten Zeichnungen von Joachim Knappe sind leider nichtssagend und stehen seltsam isoliert. Sie illustrieren nicht die Kurzgeschichte, sondern überzeichnen einen Aspekt oder karikieren sogar die Geschehnisse. Sie erreichen nicht die Qualität oder Prägnanz der Texte, wirken beliebig und sind schlicht überflüssig.
Sehr gelungen ist hingegen das Umschlagbild von Knappe, das die wundervolle Geschichte "Das Licht ist wie das Wasser" illustriert.

Diese elf Geschichten sind allesamt kleine Meisterwerke. Keine ist mit einer anderen vergleichbar, jede ist für sich brillant ersonnen und erzählt. Dieser Sammelband ist ein einziger Genuss.

Stefan Erlemann



Hardcover | Erschienen: 01. Oktober 2006 | ISBN: 9783596852321 | Originaltitel: La luz es como el agua | Preis: 12,90 Euro | 192 Seiten | Sprache: deutsch

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