Mit dem Namen Kara Ben Nemsi verbindet der durchschnittliche Fernsehzuschauer in erster Linie den Amerikaner Lex Barker, der in drei Filmen in die Rolle des orientreisenden Alter Ego des Schriftstellers Karl May schlüpfte. Nur wenige wissen, dass in den Siebzigerjahren, acht Jahre nach dem letzten "Kara Ben Nemsi"-Film "Im Reich des silbernen Löwen", eine 26-teilige Serie um den bekannten Helden produziert wurde, deren erste Staffel (13 Folgen aus dem Jahr 1973) nun als DVD-Set von Koch Media veröffentlicht wurde.

In die Hauptrollen schlüpften Karl-Michael Vogler (er spielte unter anderem den Offizier Rumpelstoß in "Die tollkühnen Männer in ihren fliegenden Kisten") als Kara Ben Nemsi und Heinz Schubert (besser bekannt als Ekel Alfred aus "Ein Herz und eine Seele") als Hadschi Halef Omar. Darüber hinaus kann die Serie mit einer Reihe an Gaststars aufwarten, die in den Siebzigern zu der ersten Riege an TV-Bekanntheiten zählten, wie Dieter Hallervorden, Lina Carstens oder Herbert Fleischmann - auch wenn es, zugegebenermaßen, etwas Überwindung erfordert, sich Dieter Hallervorden als den orientalischen Befehlshaber vorzustellen, den er hier verkörpert. Auch wenn es im Verlauf der Serie Ausnahmen gibt, bemühen sich doch die meisten Schauspieler redlich, das abenteuerliche orientalische Flair zu vermitteln, welches Karl May in seine Romane integriert hat. Auch der Humor kommt dabei nicht zu kurz, und so ist zum Beispiel dank der grandiosen Leistung eines Heinz Schubert der Film-Halef Ralf Wolter völlig vergessen.

Was als Erstes beim Sehen dieser Serie auffällt, ist die Gemütlichkeit der Inszenierung. Dies soll keinesfalls als Nachteil zu verstehen sein, doch setzt sich "Kara Ben Nemsi Effendi" als Kind der Siebziger deutlich von den heute üblichen hektischen TV- und Kino-Inszenierungen ab. Das mag auf den Konsumenten zu Beginn etwas ermüdend wirken, ist er in der Regel doch eher an schnelle Schnitte und eine stark geraffte Handlung gewöhnt. Diese Serie dagegen nimmt sich Zeit. So besteht die erste Hälfte von Folge eins "Der Tote im Wadi Tarfaui" aus einem Dialog zwischen Kara Ben Nemsi und Hadschi Halef Omar, in dessen Verlauf letzterer versucht, seinen Herrn zum - in seinen Augen - wahren Glauben des Islam zu bekehren. Auch wenn dies eine Viertelstunde Laufzeit in Anspruch nimmt, stellt es doch gleichzeitig eine sehr schöne Einführung der beiden Hauptcharaktere dar, und man wünschte sich, dass sich auch moderne Serien die nötige Zeit nehmen würden, um ihre Protagonisten derart stimmungsvoll einzuführen.

Diese Gemächlichkeit ist zudem einer von vielen Anhaltspunkten dafür, dass es sich bei "Kara Ben Nemsi Effendi" um eine der werkgetreuesten Adaptionen eines Karl-May-Stoffes handelt. Gerade, weil dies ein Merkmal ist, dessen sich bisherige Verfilmungen seiner Romane nur in den seltensten Fällen rühmen konnten, bietet die Serie eine dankbare Alternative zu den Filmen aus den Sechzigerjahren.

Ein weiterer lobenswerter Aspekt ist die Auswahl der Drehorte in Rumänien und am Rand der Sahara, welche der Serie einen wunderschönen optischen Hintergrund liefern. Auch der hörenswerte Soundtrack sollte hier Erwähnung finden, der, ebenso wie die Winnetou-Filme, von Martin Böttcher komponiert wurde und sich damit wunderbar in die Tradition der Karl-May-Verfilmungen einfügt.

Bild- und Tonqualität sind für die Zeit, in der die Serie entstand, durchaus zufriedenstellend. Extras sind leider keine enthalten, was sich jedoch verschmerzen lässt. Die DVDs kommen in einem sehr schön gestalteten grünen Schuber daher, der in seiner Machart den Boxen der Winnetoufilme entspricht und somit für eine optisch einheitliche Sammlung von Karl-May-DVDs im Regal sorgt.

Für Nostalgiker ist diese Serie Pflicht, aber auch Menschen, welche zum Zeitpunkt ihrer Erstausstrahlung noch zu jung oder noch gar nicht geboren waren, sollten einen Blick riskieren. Wer bereit ist, sich auf das Tempo der Serie einzulassen, wird mit über fünf Stunden orientalischem Abenteuer zu einem angemessenen Preis belohnt werden. Es steht zu hoffen, dass auch die restlichen 13 Folgen aus dem Jahr 1975 bald auf DVD veröffentlicht werden.