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Wie sinnlich darf ein Roman sein? "Emmas Glück" lotet Ekelgrenzen aus, erschüttert das Zwerchfell und drückt mächtig auf die Tränendrüse. Das zugehörende - und vorliegende - Hörbuch ist eine Autorenlesung, Claudia Schreiber lotet selbst, und durchaus gekonnt, die Höhen und Tiefen des Romans aus.
Emma ist eine Schweinebäuerin und lebt allein auf einem Hof irgendwo weit ab, in einem Bereich von Deutschlands Mitte, den die Autorin boshaft und liebevoll "Hessisch Sibirien" nennt. Sie ist der Schrecken der tratschigen Dorfweiber, fährt jeden Morgen mit dem vom Vater geerbtem Moped eine selbstgebaute Straße entlang, weil die Schwungscheibe eine Unwucht hat und so herrlich vibriert. Sie steht kurz vor der Pfändung ihres Hofes, sie braucht Geld, und eigentlich auch einen Mann.
Max ist Buchhalter im Autohaus seines Freundes Hans, die beiden kennen sich vom Krankenhauszimmer an, in dem ihre Mütter nach der gleichzeitigen Geburt lagen. Max ist in allem ordentlich, unentschlossen, versagt sich jedes Abenteuer - und bekommt von seinem Arzt die Nachricht, dass er Bauchspeicheldrüsenkrebs hat, unheilbar, noch ein paar Wochen zu leben. In einer Kurzschlussreaktion beschließt Max nach Mexiko zu fliegen, das Geld dafür klaut er Hans, der seltsame Geschäfte mit weißrussischen Gangstern macht. Und weil gerade der Ferrari, der nach Weißrussland gehen soll, auf dem Hof steht, nimmt er den gleich mit. Hans verfolgt ihn mit Max Auto, Max verliert irgendwo in Hessisch Sibirien die Kontrolle und fährt eine Böschung runter, an der Hans prompt vorbeifährt.
Nun ist Emma ein Mann mit Geld auf den Hof geflogen, also eigentlich alles, was sie haben wollte. Allerdings wähnt sich Max in der Hölle angekommen, als er in Emmas chaotischen Schlafzimmer aufwacht. Die unkonventionelle Bäuerin und der sehr konventionelle Buchhalter kommen sich nur sehr schwer näher. Außerdem stört da ja auch noch Hans, der die beiden irgendwann entdeckt, und was tratschen die Dörfler, nachdem sie Emmas Moped nicht mehr hören ...
Teilweise sehr witzig, teilweise aber auch von melancholischer Tragik, da ist alles drin, was man so braucht. "Emmas Glück" besticht durch die wirklich gelungene Darstellung eines so erdigen Menschen wie Emma, und auf der anderen Seite mit dem genauso glaubhaften hochpeniblen Max. Die Charaktere sind zwar überzogen, haben aber auch eine gehörige Tiefe und ganz nebenbei auch noch eine Menge Witz. Für den ganz schwachen Magen ist die Geschichte übrigens nichts, zu detailliert sind die Schlachtungen beschrieben, die Emma immer ganz allein durchführt. Auch die Geschichten aus Emmas brutaler Kindheit sind nicht gerade erbaulich, aber in sich klar. Der Roman geht immer ins Extrem, sowohl in den Charakteren, als auch in Handlung, Ekelfaktor und Humor. Das lässt auch problemlos darüber hinwegsehen, dass manche Wendungen ein wenig zu vorhersehbar sind und das letztlich auch das Ende erstaunlich wenig Konflikte hat. Ein gewisser Kitschfaktor spielt da mit, aber das ist ja nicht immer schlecht.
Claudia Schreiber ist nicht an erster Stelle die Sprecherin des Romans, sondern erst mal die Autorin. Und das merkt man dem Hörbuch immer wieder an. Sie spricht nicht so perfekt wie die Stars der Hörbuchvorleserzunft, dafür aber mit ganzem Herzen und jede Nuance so herausspielend, wie sie es geschrieben hat. Ihre Stimme ist warm und angenehm, so machen die vier CDs nicht nur durch die Geschichte, sondern auch durch die Stimme Spaß.
So kommt ein teilweise brüllend komisches Hörbuch mit gehörigem Tragikpotential zusammen, mit Verve von der Autorin selbst gelesen. Ein wirklich empfehlenswertes Gesamtpaket, das viel zu schnell vorbeigeht.