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Zu ihrem blanken Entsetzen haben Rebeccas Eltern beschlossen, dieses Jahr Urlaub auf dem Land zu machen. Nach drei Wochen fern der ihr bekannten städtischen Zivilisation, ist die Sechzehnjährige über jede Ablenkung von der Dorfidylle dankbar. So folgt sie ihren neuen "Freundinnen" Franziska, Petra und der temperamentvollen Bea auch nur zu bereitwillig zum örtlichen Spuckhaus. Vor der Tür des wirklich abschreckend baufälligen Gemäuers scheint Langeweile gar nicht mehr so unangenehm. Da sie aber vor Bea nicht als Feigling dastehen will, folgt sie ihr trotz allem in den heruntergekommenen Bau. Im Keller erlebt Rebecca dann eine Überraschung: Ein richtiges voll möbliertes Klubhaus unterhalten die drei Mädchen hier unten, auch wenn sie weder wissen, wer es eingerichtet hat, noch wo der Strom herkommt. Außerdem scheinen noch andere von dem Versteck zu wissen, Jugendliche aus dem Dorf und vielleicht noch ein paar Erwachsene aus ihrer eigenen Jugendzeit.
Etwa zehn Minuten nach Einführung in ihr geheimes Domizil, findet sich die verblüffte Rebecca plötzlich allein im tiefen Keller wieder; ihre neuen Bekanntschaften haben es tatsächlich fertig gebracht, binnen Augenblicken in einen tiefen Schlummer zu fallen. Sollte die Landjugend die Gefahren dieser Ruine tatsächlich nur für einen ausgedehnten Nachmittagsschlummer in Kauf nehmen? Bevor Rebecca länger Gelegenheit hat, darüber nachzudenken, wird sie auf ein kratzendes Geräusch aufmerksam. Als sie dem Kratzen auf den Grund gehen will, trifft sie auf den gleichaltrigen Toran, der fast ebenso überrascht ist wie sie. Als nun auch noch die extrem ausländerfeindliche Bea aufwacht, kommt es zum handfesten Streit, bei dem Toran schließlich von Bea gegen einen stützenden Balken gestoßen wird. Das Unglück geschieht und schon bald wandert Rebecca von den anderen abgeschnitten alleine durch das riesige Kellergewölbe - und nach Ausfall ihrer Taschenlampe auch im Dunkeln.
Doch je tiefer sie steigt, desto mehr scheint sich die Welt um sie herum zu verändern. Schließlich gelangt Rebecca in eine gewaltige gläserne Halle, in der monströse Wesen - eine Mischung auf Wolf und Wildschwein - sich einen erbarmungslosen Kampf um die einzig verfügbare Nahrungsquelle liefern: sich selbst. Wie durch ein Wunder kommt Rebecca ungeschoren davon, als sich zwei der Fleischfresser gegenseitig töten und der dritte an ihrer funktionsunfähigen Taschenlampe erstickt. Kaum der Halle durch ihren Haupteingang entkommen, findet sich Rebecca in einer prächtigen, aber zerfallenen Stadt wieder, die wie die Halle ganz aus Glas zu bestehen scheint. In ihrem Zentrum steht ein nicht minder gewaltiges Schloss, in dem sich die Jugendliche Rat und Hilfe erhofft. Tatsächlich ist der Prachtbau im Gegensatz zu der Stadt selbst im Augenblick nicht verlassen. Doch die düsteren Krieger und ihr drei nicht minder finsteren Herrinnen, die hier ihr Zelt aufgeschlagen haben, lassen das Mädchen zu Recht zögern. Eine unfassbare Erkenntnis reift in Rebecca: Sie kennt diesen wundersamen Ort, sie hat schon oft davon in den Geschichten ihres Vaters gehört - von Märchenmond. Doch wie hat es Rebecca hierhin verschlagen, was ist hier geschehen und wie soll sie jemals wieder nach Hause kommen?
In dem im Jahre 2005 erschienen Wolfgang & Heike Hohlbein - Roman "Die Zauberin von Märchenmond" gelingt dem eingespielten Autorenpaar der Spagat zwischen dem Genre der Jugendfantasy und der klassischen Heroic-Fantasy. Das Ergebnis ist zwar indirekt eine Fortsetzung zu Hohlbeins erfolgreicher Märchenmond-Trilogie, soll aber auch als allein stehende Geschichte funktionieren - was durchaus gelingt.
Achthundertvierundsechzig Seiten stark ist der neuste Band des Märchenmond-Zyklus und wie so oft ist die Frage ist berechtigt, ob die Hohlbeins nicht auch mit zweihundert Seiten weniger ausgekommen wären. Der Einstieg in die Geschichte über das Klubhaus im ländlichen Spukschloss ist sehr gelungen, das menschliche Zwischenspiel zwischen den ungleichen Jugendlichen ist authentisch und auch die unvermeidliche Eskalation wirkt nicht aufgesetzt. Wenn Rebecca schließlich in Märchenmond eindringt und die untergegangene Glasstadt Gorywynn erforscht, erlebt das Buch auch schließlich einen ersten aufregenden Höhepunkt. Wenn Rebecca aber fast hundert Seiten später immer noch ziel- und ahnungslos durch die Gegend stolpert, wird die Geduld des Lesers nun doch auf die Probe gestellt. Auch im späteren Verlauf des Buches drängt sich der Eindruck auf, dass es gelegentlich etwas schneller zur Sache gehen könnte.
Trotzdem, unterm Strich funktioniert "Die Zauberin von Märchenmond" sehr gut als fantastischer Abenteuerroman, der durchaus mit überraschenden Wendungen aufwartet und - noch einmal - einen gelungenen Schluss unter die erfolgreiche Fantasy-Serie setzt - oder der Reihe doch nur einen weiteren Teil hinzufügt? Ueberreuter hat den neusten Märchenmond jedenfalls mit einem schönen Cover aufgelegt, und auch sonst bei der Aufmachung nicht viel verkehrt gemacht - wenn für den Bücherwurm auch noch ein Schutzumschlag und Lesefaden als Wünsche offen bleiben.
Der bekannteste deutsche Fantasy-Autor knüpft im Duett mit seiner Frau an seinen ersten großen Erfolg als Schriftsteller an: Märchenmond. Das Resultat wird Hohlbein-Fans glücklich machen und auch andere Liebhaber fantastischer Literatur nicht enttäuschen.