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So ändern sich die Zeiten: In den 1960er Jahren noch war es gang und gebe unter Psychiatern, LSD zu nehmen, um auf diese Weise selbst zu erfahren, wie die Psychosen ihrer Patienten aussehen könnten, und an den Universitäten wurden Seminare abgehalten, in denen die Studenten flächendeckend LSD nahmen, als eine Art wissenschaftlicher Selbstversuch. Die Pharmakonzerne priesen damals LSD als ein Mittel zur Erkundung der Psyche und der Rezeptionswege. Erst mit dem massenhaften Konsum von LSD in der Flower Power-Ära, als LSD immer mehr missbraucht wurde und etliche junge Menschen "auf dem Trip hängenblieben", geriet die Wunderdroge in Verruf und wurde nachhaltig aus der Öffentlichkeit verbannt - so nachhaltig wie kaum eine andere Droge. Ob und wie weit die Gefährlichkeit von LSD damals richtig eingeschätzt wurde, sei an dieser Stelle dahingestellt. Fest steht, daß die Entdeckung von LSD durch den Schweizer Pharmakologen Albert Hofmann im Jahr 1943 ein Meilenstein für die Psychologie, die Pharmakologie und Chemie war. Denn die unscheinbare Substanz zeigte, dass Wirklichkeit, wie wir sie kennen, in unseren Köpfen produziert wird und durch die Zugabe einer winzigen Menge dieses synthetischen Lysergsäure-Derivats vollkommen verändert werden kann.
Albert Hofmann selbst hat den Gebrauch der Droge stets als eine sinnvolle Erkundung des eigenen Ichs und der Welt angesehen, vor Missbrauch freilich gewarnt und über die LSD-Gurus wie Timothy Leary eher den Kopf geschüttelt. Er selbst probierte die Substanz lieber mit den Schriftstellern Ernst Jünger und Aldous Huxley aus, und er hat in zahlreichen Essays von seinen Erfahrungen berichtet. Die wichtigsten dieser Essays finden sich in einem neuen Sammelband des AT-Verlags. Er ist eine Hommage an Albert Hofmann, eine Festschrift an einen großen Chemiker, in dem nicht nur er selbst, sondern auch einige Weggefährten zu Wort kommen, darunter Günther Amendt, Mathias Broeckers und Claudia Müller-Ebeling. Die Beiträge sind alle hochinteressant und vielseitig, sie sprechen wichtige Fragen an, etwa den (möglichen) Zusammenhang von LSD und den legendären griechischen Mysterien von Eleusis oder die Kreativität "unter LSD". Auch kritische Gedanken und Warnungen vor der Macht der Droge werden nicht ausgespart, obwohl das Buch freilich eine Hommage an Hofmann ist und kein wissenschaftliches Lehr- oder Einführungsbuch über LSD. Vor allem die Essays von Albert Hofmann selbst sind aber unbedingt lesenswert, da sie erst das Verständnis für die von ihm ausgelöste pharmakologische Revolution wecken. Dies ist in einer Ära, in der LSD nach wie vor verbannt und ein öffentlicher Diskurs über Bewusstseinserweiterung verpönt ist, nicht ganz unwichtig. Wie immer man über die Droge denkt: ihren ungeheuren Einfluss auf die Psychologie, Chemie, Biologie und auch Philosophie lässt sich nicht leugnen. Wer sich also für dieses wichtige Kapitel der Wissenschaftsgeschichte interessiert, erhält hier einen lesenswerten Sammelband mit einem sehr persönlichen Charakter.