2006 wurde viel über die "Kongo-Mission" der deutschen Bundeswehr im Rahmen der EUFOR gestritten. Heute, Februar 2007, ist das umkämpfte Land - seine Fläche ist fast siebenmal so groß wie Deutschland - wieder einmal aus den Schlagzeilen verschwunden. Dass dort noch immer Kämpfe zwischen Regierungs- und Rebellentruppen, Freischärlern aus Nachbarstaaten und Söldnern westlicher Bergbau- und Mienenfirmen toben, interessiert keinen mehr, seit die Wahlen unter massiver militärischer Absicherung - und unter fragwürdiger Zusammenstellung der Wahllisten - über die Bühne gegangen sind. Wer sich freilich etwas mehr über den Kongo informiert, erfährt bald, welche mannigfaltigen Interessen die üppigen Bodenschätze des Kongos hervorrufen, und dass hier europäische, amerikanische und asiatische Mienenkonglomerate wesentlichen Anteil daran haben, dass der Kongo nicht zur Ruhe kommt.
Das ist leider nicht erst seit gestern so, wie man in dieser historischen Studie erfährt. Seit der Kolonialzeit, als der Kongo belgisches Kolonialgebiet war, wird erbittert um die Bodenschätze des afrikanischen Lands gerungen. Auch der Einsatz von Söldnertruppen ist dabei nicht unüblich. Besonderes Aufsehen erregte dabei der Fall des deutschen Söldners Siegfried Müller, eines ehemaligen Wehrmachtsangehörigen, der in den 1960er Jahren im kongolesischen Bürgerkrieg mitmischte. Die Bereitwilligkeit dieses Trägers des Eisernen Kreuzes, auch vor den Kameras über seinen "schmutzigen Job" zu plaudern, machte ihn für die Presse interessant; als "Kongo-Müller" wurde er bald ein beliebtes Objekt der Berichterstattung ... und damit auch zum Mittelpunkt einer hitzigen deutsch-deutschen Debatte zwischen der Bundesrepublik und der DDR. Letztere versuchte anhand des Falls "Kongo-Müller" zu beweisen, dass Westdeutschland eigene Interessen im Kongo verfolgte, was von der Gegenseite heftig bestritten wurde. Der Fall blieb aber unklar und schwammig, Müllers Verbindungen zur Bundeswehr, zu deutschen Industriellen und "Kongo-Interessierten" konnten nicht vollständig geklärt werden.
In einem Interview des DDR-Fernsehens mit Müller - dieser wusste nicht, wer sein Gesprächspartner war - plauderte der Söldner jedoch recht unbefangen von seiner "Arbeit": von willkürlichen Erschießungen, Leichen- und Grabschändungen, einem ungehemmten Rassismus, dem unmenschlichen Gebaren ehemaliger NS-Soldaten, die hier im Kongo ihrer Freude am Kriegführen nachgingen, und von den internationalen Verbindungen und Verwicklungen verschiedener Staaten in den Bürgerkrieg. Die Ausstrahlung des zynischen Interviews unter dem Titel "Der lachende Mann" war für die Bundesrepublik mehr als peinlich. Müller erhielt eine Strafanzeige, und der Fall wurde zum Politikum ... auch wenn der Einsatz deutscher Söldner im kongolesischen Bürgerkrieg bis heute nicht wissenschaftlich geklärt ist. Dieses Buch ist ein erster Versuch.
Christian Bunnenberg hat den Fall "Kongo-Müller" minutiös recherchiert. Er schildert das Leben von Siegfried Müller, wertet diverse Quellen aus und lässt auch den Propagandaaspekt nicht außen vor; denn die DDR bediente sich der Figur Müller ebenso wie es diverse westliche Medien taten, wenn auch mit anderer Intention. Dass natürlich auch der Ostblock in Afrika massiv intervenierte, soll an dieser Stelle nicht verschwiegen werden.
Gerade diese mediale Schlacht um "Kongo-Müller" arbeitet Bunnenberg in seiner Recherche hervorragend heraus. Aber auch ansonsten ist das Buch ein schockierendes Dokument über postkoloniale Konflikte im Kongo der 1960er Jahre - und darüber hinaus. Denn der Skandal um den Söldner Siegfried Müller führt direkt in die Gegenwart, da noch immer Söldnertruppen im Kongo eingesetzt werden, deren Verbindungen und Finanzierung ungeklärt sind. Ein hochspannendes und wichtiges Buch, dessen Lektüre gerade in Ergänzung zu dem Film "Blood Diamond" von Edward Zwick sehr zu empfehlen ist.