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Dein Freund und Helfer und Mörder.
Eigentlich ist Dexter Morgan ein netter Kerl. Er achtete seine inzwischen verstorbenen Eltern und kümmert sich noch heute um seine Schwester, die für ihn praktisch der wichtigste Mensch auf Erden ist. Familie geht Dexter beinahe über alles, auch wenn er von den Morgans "nur" adoptiert wurde. Zudem ist Dexter sehr verständnisvoll, wenn es um die Bedürfnisse seiner Freundin Rita geht und mag ihre beiden Kinder. Außerdem ist er nett zu den Kollegen, macht zuverlässig seine Arbeit als Spezialist für Blutanalysen bei der Polizei von Miami und hat manchmal kleine "Eingebungen", die der Ermittlungsarbeit ernorm dienlich sein können. Dexter ist eigentlich ein netter Kerl - wäre da sein "Hobby" nicht. Denn Dexter mordet. Serienweise. Nach einem strengen Muster. Dieses Muster wurde ihn nun gerade von seinem Dad beigebracht. Als Harry Morgan erkannte, dass in Dexter etwas Dunkles schlummert, beruhend auf einem traumatischen Erlebnis in seiner Kindheit, da schickt er den Jungen nicht in eine Klinik oder Anstalt - er bildete Dexter aus, machte aus ihm den perfekten Killer - im Auftrag eines höheren Zweckes. Denn jedes Opfer von Dexter ist selbst ein Killer, gerne jemand, der sich an Kindern zu schaffen gemacht hat.
Dexters ruhiges Leben gerät eines Tages aus den Fugen, als ein weiterer Serienmörder in sein Revier eindringt. Der neue Mörder hat dabei ein perfides Muster: er ermordet Prostituierte, lässt sie ausbluten, bis nicht ein Tropfen mehr übrig ist und lässt sie dann als sauber verpackte "Geschenke" für die Polizei zurück. Oder eben für Dexter, der sich von diesem "Künstler" persönlich angesprochen fühlt und nicht weiß, ob er den Killer jagen und zur Strecke bringen oder auf einen Gedankenaustausch einladen sollte.
Diese Entscheidung wird Dexter immer wieder von seiner Schwester Deborah abgenommen. Die Gute ist bei der Sitte gelandet und wünscht sich nichts sehnlicher, als endlich als richtiger Cop bei der Mordkommission mitzumischen. Den Serienmörder zu fangen, scheint da der lang ersehnte Freifahrtsschein zu sein.
Und ehe Dexter es sich versieht, ist er mitten drin - in Ermittlungen, die immer persönlicher werden, im Kampf um die Karriere seiner Schwester und im Ringen um seinen eigenen Verstand.
Mit "Des Todes dunkler Bruder" ist Jeff Lindsay wahrlich ein kurioser Kunstgriff gelungen. Er nimmt den Leser mit in die Welt und Gedanken von Dexter, dem Ich-Erzähler des Romans, - und unterhält dabei köstlich. Dexters Welt mag makaber sein, aber er begegnet dem Leben mit genügen Zynismus und Sarkasmus, um die Dunkelheit auszugleichen. Dabei beschönigt Dexter nichts. Im Gegenteil - er gibt offen zu, ein gefühlloses Monster zu sein, das menschliche Emotionen nur vortäuschen und kopieren kann. Dabei durchschaut gerade er oft perfekt die Masken und Schutzmechanismen, die sich die Menschen aufbauen, und führt diese brutal vor.
Obwohl das Buch spannend und unterhaltsam ist, hat es doch ein paar Nachteile. Zum einen die Länge. Für die ausgewogene Handlung hätte der Roman noch gut 100 Seiten mehr vertragen können, um die Lösung der Mordserie besser aufzubauen und zu lösen. Der Showdown des Buches ist zwar äußerst spannend und fesselnd, der Weg dahin wird aber etwas plötzlich beschrieben.
Zu bemängeln ist auch die von vielen kritisierte Übersetzung. Zwar kann man das Buch ohne Probleme flüssig lesen und Dexters Worten lauschen, aber mit einigen englischen Bezeichnungen der Popkultur scheint sich der Übersetzer etwas schwer getan zu haben. Zum Glück fällt dies nur an ein paar Stellen wirklich ins Auge und stört deswegen den Lesegenuss nicht wirklich stark.
Ein anderes Ärgernis ist der Klappentext, der ehrlich behauptet, der neue Killer würde - wie Dexter - auch die schlimmsten Täter zur Strecke bringen. Man kann über Prostitution ja geteilter Meinung sein, aber bei diesem Text hat man das Gefühl, das Buch wurde nicht wirklich gelesen, bevor er verfasst wurde.
Trotz dieser kleinen Mängel macht es wirklich Spaß, das Buch zu lesen und Dexter in seine dunkle Welt zu folgen. Es handelt sich, trotz alle dem, um eine spannende Geschichte, die gut unterhält und den Leser zu fesseln mag. Und am Ende könnte man fast glauben, Dexter sei ein netter Kerl - na ja, beinahe.