Aphorismensammlungen sind beliebt; sei es, um den Eintrag ins Poesiealbum zu versüßen, sei es, um einen Brief aufzupeppen oder eine Rede elegant einzuleiten - mit den Bonmot eines berühmten Mannes erntet man sichere Lacher und stellt nebenbei seine Belesenheit unter Beweis. Und so gibt es zu jedem Anlaß das entsprechende Zitat, ob zur Hochzeit, Pensionierung, Beerdigung oder Ernennung zum Vereinsvorstand.
Die vorliegende Aphorismensammlung ist etwas anders. Sie wendet sich nämlich an die Zyniker, Nörgler, Schlechtwettermacher und Spielverderber, kurz: an die Boshaften. Seit geraumer Zeit gibt der Insel-Verlag eine kleine Aphorismenreihe "für Boshafte" hinaus. Jeder Band faßt die gemeinsten Zitate einer Berühmtheit zusammen:
Joyce, Shaw und Schopenhauer, Karl Kraus und ... Arno Schmidt! Arno Schmidt? Den genialen Altmeister der Avantgarde hätte man zunächst gar nicht unter den Boshaften vermutet. Aber nur auf den ersten Blick: denn tatsächlich enthielten seine wild komponierten Erzählungen und Romane, in denen Sprache und Sinnzusammenhänge ständig zerhackt und ironisiert werden, allerlei Bosheiten. Diese hat Bernd Rauschenbach, Germanist und Schmidt-Verehrer, zusammengetragen und geordnet. Acht Kapitel finden sich in dem schmalen Band, darunter "Kosmos, Leben und Natur", "Staat und Politik" und "Soldat und Uniform". Kleine Kostprobe gefällig?
Welcher deutsche Dichter hätte sich im Lauf seines Lebens nicht mindestens einmal mit Emigrationsplänen getragen ? !, bellt Schmidts Stimme aus dem Buch. Oder er gibt ätzende Kommentare zur Presse ab:
Illustrierte : die Pest unserer Zeit! Blödsinnige Bilder mit noch läppischerem Text: es gibt nichts Verächtlicheres als Journalisten, die ihren Beruf lieben. Das ist nun wahrlich zitierfähig und läßt sich bestimmt bei passender Gelegenheit einsetzen, die nötige Bosheit vorausgesetzt.
Die Zitate stammen, wie gesagt, überwiegend aus Schmidts Prosa und sind deshalb oft dem Zusammenhang entrissen. Egal: Arno-Schmidt-Freunde dürften sich trefflich über dieses Buch amüsieren und ihre eigene Bosheit an den Worten ihres Meisters messen. Für das Poesiealbum sind die Zitate allerdings doch eher ungeeignet und dürften einem wenig Sympathie einbringen. Aber was solls:
Schon gemeinsame Brechreize schaffen eine Art ausreichender Sympathie.