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Der Kalte Krieg hat mehrere Generationen von Menschen in aller Welt geprägt und ihre Gesellschaften zum Teil radikal verändert. Er war im Grunde ein Weltkrieg von einem halben Jahrhundert Dauer, auch wenn nicht gleichzeitig an allen Fronten gekämpft wurde.
Der Autor geht zunächst dem Ursprung des Begriffs "Kalter Krieg" nach und zeigt anschließend auf, dass diese Auseinandersetzung nicht erst 1945 oder 1947 aufkam, sondern ihre Wurzeln in der Russischen Revolution 1917 hat, denn seither empfanden die westlichen Mächte den Kommunismus als existenzielle Bedrohung - und umgekehrt. Dementsprechend hielt der Pakt zwischen Stalin und den anderen Alliierten nicht lange, nachdem Deutschland in der Rolle des gemeinsamen Feindes zu existieren aufgehört hatte.
Dieses Buch erläutert anschaulich und nach Möglichkeit wertungsfrei, wie es nach dem Weltkrieg zu jenem eigenartigen, immer wieder von Eskalationen bedrohten Status quo zwischen den hauptsächlich beteiligten Staaten kam, während die "heißen" Schlachten zumeist in der Dritten Welt geschlagen wurden, welche aus eigener Sicht gefährdeten Weltordnungen dahinter standen, wie sich die Blöcke formierten und China etwas überraschend als dritte Weltmacht auftrat und den Frontverlauf beeinflusste.
Die sich mehrmals überschlagenden Ereignisse in den Fünfziger- und frühen Sechzigerjahren werden übersichtlich gegliedert dargestellt und im historischen wie tagespolitischen Kontext interpretiert. Ebenso gründlich informiert der Autor über den wirtschaftlichen und vor allem den Rüstungswettlauf mit dem Schwerpunkt der atomaren Bedrohung sowie deren weltumspannende und tief greifende Folgen für Politik und Gesellschaft. Stöver vollzieht die Entwicklung der heißen und der Entspannungsphasen bis über das offizielle Ende des Kalten Krieges hinaus nach, denn dieser hat uns als Erbe unter anderem die Radikalisierung vieler islamischer Staaten und Gruppierungen hinterlassen, deren Protagonisten einst häufig wie Osama bin Laden von den USA gefördert und geschult wurden.
Besonderes Augenmerk richtet der Autor auf die so genannten Blockfreien und andere Länder an der Peripherie des Konflikts, die wie die OPEC manchmal entscheidend Einfluss nahmen, häufig instrumentalisiert wurden, gelockt von großzügigen Entwicklungshilfegeldern, und nicht selten Hauptleidtragende waren wie Vietnam, Korea und mehrere afrikanische Länder, die Stellvertreterkriege mit hohem Blutzoll ausfochten.
Insbesondere die in der Spätzeit des Kalten Krieges Geborenen wissen wenig über dessen Ursachen und die diplomatischen und strategischen Ungeschicklichkeiten, die ihn immer wieder hochpeitschten, sowie über die Instrumentalisierung von meist armen Drittländern durch die Supermächte. Aber auch den Zeitzeugen blieben viele damals nicht öffentlich gewordenen Aktionen verborgen, die seit dem Ende des Kalten Krieges und der daraus resultierenden Zugänglichkeit etlicher Archive zutage traten.
Der Autor versteht es, die Ereignisse und Hintergründe nachvollziehbar gegliedert und gut verständlich darzustellen und, wo nötig, zu kommentieren. Unterschiedliche Epochen und besondere Aspekte, etwa Gesellschaften, Wirtschaft und Stellvertreterkriege, werden in eigenen, voneinander weitgehend unabhängigen Abschnitten dargestellt, sodass man sich bei Interesse oder Bedarf über Einzelthemen informieren kann, ohne das ganze Buch lesen zu müssen - was gleichwohl sehr zu empfehlen ist, denn die Synopse lässt den Leser nicht nur die Historie, sondern auch viele problematische Situationen und Entwicklungen der heutigen Welt, fast zwei Jahrzehnte nach dem Ende des Kalten Krieges, verstehen.
Besonderen Wert legt der Autor auf die Schauplätze jenseits Europas, der USA und der UdSSR, nicht nur, weil der Kalte Krieg dort, wie erwähnt, häufig "heiß" verlief und insgesamt Millionen das Leben kostete, sondern weil die heute vielfach "verfahren" wirkende Lage dieser Regionen auf das Konto des Kalten Krieges und seiner Hauptakteure geht. Auch zeigt der Autor gern die zahllosen Parallelentwicklungen zwischen den Hegemonialmächten des Kalten Krieges auf, denn die USA und die UdSSR imitierten häufig das Vorgehen des jeweiligen Gegners. Dazu gehören auch jene Gürtel von abhängigen, streng kontrollierten Vasallenstaaten, die beide Mächte um ihr angestammtes Staatsgebiet herum schufen; für die UdSSR waren das vor allem die Länder Ostmitteleuropas, aber auch mittelasiatische Nachbarn, für die USA wiederum der gesamte amerikanische Doppelkontinent einschließlich vorgelagerter Inseln wie Kuba.
Zahlreiche Fotos und Landkarten illustrieren den Text und veranschaulichen im wahrsten Sinne des Wortes die unterschiedlichsten Aspekte der damaligen Zeit.
Dieses Werk macht die trotz aller Entspannungsbemühungen in vielerlei Hinsicht fatale Entwicklung von 1945 bis etwa 1991 hervorragend begreiflich und nachvollziehbar und beschränkt sich vor allem nicht auf die Hauptkontrahenten des Dauerkonflikts, sodass der Leser sich ein differenziertes Bild vom Kalten Krieg selbst und von seinem andauernden Einfluss auf die Weltordnung machen kann. Dass dieses Buch darüber hinaus packend und anregend verfasst ist und auch mit einer sehr ansprechenden Aufmachung aufwarten kann, macht es umso empfehlenswerter.