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 Das Schloss


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Gesamt ++++-
Anspruch
Aufmachung
Preis - Leistungs - Verhältnis
Spannung
Ton


Das Dorf taucht unvermittelt aus dem Nebel auf. Es wirkt verlassen, kein Mensch ist zu sehen. Die lange, fast gerade Hauptstraße scheint endlos lang und verschwindet in der Ferne im Grau des späten Nachmittags. "K." betritt eine Wirtschaft, die nur durch ein Schild kenntlich und ansonsten nicht von den anderen niedrigen Bauernhäusern zu unterscheiden ist. Im Inneren sitzen zu K.’s Überraschung viele Gestalten. Der Rauch nimmt ihm die Sicht und wie blind gleicht er eher einem Betrunkenen, denn einem müden Wanderer.
Kaum hat er sich in der Ecke auf einem Strohsack niedergelegt - keine Kammer ist für ihn frei - betritt ein amtlich aussehender Mann die Schankstube und will ihn hinauswerfen. Niemand, so die Auskunft, dürfe sich hier aufhalten, nicht mal im Dorf seien Fremde willkommen und ohne Erlaubnis des Schlosses müsse er sofort wieder gehen.
K. behauptet der vom Schloss bestellte Landvermesser zu sein und rührt sich nicht von der Stelle. Die Amtsperson telefoniert und bekommt - nach anfänglicher Ablehnung - den Auftrag, K. in der Stube übernachten zu lassen.
Am nächsten Tag bemüht sich K. zum Schloss zu gelangen. Doch kein Weg führt dorthin und niemand will ihn zum Schloss führen. Niemand, so die Auskunft, dürfe ins Schloss, der nicht ausdrücklich dazu aufgefordert wurde. K.’s Bemühen scheitern immer wieder. Einzig Frieda, eine Schankgehilfin des Herrenhauses - dem Gasthof, in dem die Angestellten des Schlosses übernachten, wenn sie im Dorf zu tun haben - scheint ihn nicht wieder loswerden zu wollen. Frieda ist die Geliebte von Herrn Klamm, einem Beamten des Schlosses, der brieflich mit K. in Verbindung tritt und ihm den Auftrag gibt, sich zur Verfügung zu halten. Frieda schläft mit K., scheint sich in ihn zu verlieben. Und doch gelingt es K. nicht, zum Schloss vorzudringen. Immer verzweifelter werden seine Versuche, dort Gehör zu finden.

Franz Kafka begann 1922 mit den Arbeiten an seinem bekanntesten und wichtigsten Werk. "Das Schloss" wurde nicht vollendet und sollte nie veröffentlicht werden. Doch Kafkas Freund Max Brod setzte sich über den Wunsch des Verstorbenen hinweg und brachte nach Kafkas Tod einen der wichtigsten Romane der Weltliteratur heraus. Bis heute ist die faszinierende Wirkung dieses Textes, die verstörende Sinnsuche des K. und seine irreale, teils groteske Sehnsucht nach dem Schloss unzählige Male erschienen. Auch Hörbücher gibt es Dutzende verschiedene.
Doch der Patmos-Verlag geht einen neuen, völlig von den vorhergehenden Versuchen differierenden Weg. Zum Ersten ist dieses Hörbuch mit 495 Minuten sehr viel länger als die meisten vorangehenden Varianten, zum Zweiten sind fünf Sprecher in dieses Projekt involviert. Dies mutet auf den ersten Blick irritierend an. Es handelt sich keineswegs um ein Hörspiel, sondern um eine Lesung. Auch die erwartete Abfolge, nach bestimmten Abschnitten oder einer gewissen Zeitdauer einen Wechsel vorzunehmen, trifft nicht zu.
Zur Überraschung des Hörers wechseln die Stimmen mehrmals.
So beginnt Martin Wuttke mit den Abschnitten "Ankunft" und "Barnabas", ehe Anna Thalbach "Frieda" vorträgt. Dann folgt Monica Bleibtreu mit "Erstes Gespräch mit der Wirtin" und "Zweites Gespräch mit der Wirtin", unterbrochen von Uwe Friedrichsen mit "Beim Vorsteher". Spätestens nach der zweiten CD wird dem Hörer deutlich, dass hier sowohl inhaltlich die Sprecher gewissen Handlungssträngen und Personen zugeordnet wurden, als auch künstlerisch versucht wird, die wachsende Verzweiflung K.’s und die Reaktionen der Dorfbewohner und Schlossbediensteten im Bezug zu K. in Form einer immer wieder gebrochenen Sichtweise zu verdeutlichen. Jeder einzelne Sprecher betont andere Aspekte der Person K.’s und seines Werdegangs. Es entsteht ein Spannungsfeld unterschiedlichster Interpretationen und Wirkungen. Die Sprecher erreichen so die Vielschichtigkeit und Komplexität dieses Romans in Worte zu fassen und deutlicher werden zu lassen, als es ein einzelner Sprecher oder ein Hörspiel mit verteilten Rollen vermocht hätte.

Fazit: Der Versuch des Patmos-Verlags "Das Schloss" auf eine neue und einzigartige Weise zu interpretieren und dem Hörer näher zu bringen, ist gelungen. Der großartige Roman wird zu einem fesselnden Hörbuch. Dank der fünf Sprecher ist es ein einmaliges Erlebnis, diesem Werk akustisch folgen zu können. Sicherlich ist nicht jeder Sprecher, jede Stimme für jeden Hörer gleich gut. Doch Monica Bleibtreu, Uwe Friedrichsen, Sophie Rois, Anna Thalbach und Martin Wuttke sollte man als Gesamtheit erleben. Jede Stimme hat ihren eigenen Wert in diesem Versuch und verdient höchste Anerkennung für ihre Leistung.

Stefan Erlemann



CD | CD-Anzahl: 6 | Erschienen: 01. September 2006 | ISBN: 9783491912052 | Laufzeit: 495 Minuten | Preis: 29,95 Euro

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