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Wirklich Außergewöhnliches findet man auch in dem Genre der Phantastik nicht so häufig, wie man vielleicht erwarten könnte. Aus Australien kommt die neue Serie "Greatwinter", die grob der Science-Fiction, etwas aber auch der Fantasy zuzuschreiben ist und eine sehr ungewöhnliche Welt konstruiert.
Australien, zweitausend Jahre nach dem großen Winter. Zarvora ist die neue Hoheliber und damit nicht nur die Chefin von Libris, der großen Bibliothek von Rochester, sondern auch eine der mächtigsten Personen dort. Und sie erfindet den Kalkulor. Eine Art Computer, bei dem die Relais allerdings durch Menschen ersetzt werden. Schon mit Hilfe der kleinsten Ausbaustufe schlägt sie den Großmeister dieses Spiels locker und demonstrativ im "Kämpen", einer Art Ableitung des Schachs.
Dass der Kalkulor mit Mechanik und menschlichem Hirnschmalz betrieben werden muss, liegt an ein paar Satelliten, die schon seit Jahrtausenden über die Erde wachen und immer dann EMP-Strahlen ziemlich gezielt abgeben, wenn irgendwo auf der Erde elektrische oder gar elektronische Vorgänge anmessbar sind. Auch sonst ist die Technik ein bisschen ungewohnt. In Australien sind Dampf- und Verbrennungsmotoren quasi überall durch religiöse Tabus geächtet. Also ziehen Galeerenzüge durchs Land, die nicht gerudert, sondern wie Fahrräder per Pedalkraft angetrieben werden. Ansonsten fahren noch die langsamen Windzüge, die aber natürlich auf gutes Fahrwetter angewiesen sind.
Die Geißel der Menschheit ist der Ruf. Immer wieder, oft in sehr kurzen Abständen, zieht ein telepathischer Befehl übers Land, dem jedes Säugetier, das größer als ein Hase ist, unbedingt folgen muss. Die Menschen und durchaus auch ihre Haustiere tragen Zeitschaltuhren bei sich, die immer dann, wenn man nicht früh genug zurückstellt, einen Anker auswerfen. Der hält alle fest, bis der Ruf über sie hinweg ist, und man wacht wie aus einer Trance einfach wieder auf.
Lemorel kommt auch als Bibliothekarin nach Rochester, vor allem, weil sie eine begabte Mathematikerin ist. Und weil sie nebenbei auch noch sehr gut schießen kann, also in den Duellen, in denen Bibliothekare üblicherweise ihre Meinung verteidigen, gewisse Vorteile hat, ist ihr Aufstieg vorgezeichnet.
Die komplexe Handlung des Buches ist innerhalb einer Rezension nicht wiederzugeben. Es geht um Liebe und Krieg, um die Hinterlassenschaften des Menschen vor dem großen Winter, um fremde Kulturen und immer wieder um die großen Kalkulormaschinen, die voller Seelen sind ...
629 sehr volle Seiten, eine komplexe Geschichte mit einer Menge wichtiger Figuren. Aber vor allem kann die Welt punkten, die irgendwo zwischen technischen Entwicklungsstufen steckt, die es nie gegeben hat, die aber unter den gezeigten Umständen durchaus möglich wären. Aber trotz der vielen Seiten hat sich Autor Sean McMullen nicht genug Zeit gelassen. Die Charaktere sind einfach etwas zu flach für einen epischen Zyklus, die Zeit verstreicht manches Mal ziemlich radikal schnell, und Wendungen kommen oft überraschender, als es gut für die Geschichte ist. Trotzdem kann das Buch faszinieren, trotzdem ist es oft auch spannend.
Geschichten, die nach der großen Katastrophe spielen, sind immer beliebt - man denke an "The Stand" von Stephen King oder die legendären Bücher über "Per Hiero Desteen" von Sterling E. Lanier - und da reiht sich "Seelen in der großen Maschine" gut ein. Besonders technisch Interessierte, die vielleicht mit klassischer Fantasy nicht so viel anfangen können, finden hier eine faszinierende neue Welt. Der ganz große Wurf ist es nicht, aber eine gute Sache für Fans halb technisierter Welten.