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Die Erkenntnis, dass die Ernährung einen Einfluss auf potenziell krankheitsauslösende genetische Veranlagungen vieler Menschen ausübt, ist nicht gänzlich neu. Wir beobachten Menschen, die fettreiche Nahrung bevorzugen und dennoch keine Herz-Kreislauf-Erkrankungen entwickeln, während weniger glückliche Personen mit denselben kulinarischen Präferenzen an Atherosklerose erkranken und leichter Herzinfarkte erleiden.
Das vorliegende Buch erläutert die Möglichkeiten und Risiken der Nutrigenomik, einer relativ neuen naturwissenschaftlichen Disziplin, die sich mit den Wechselwirkungen zwischen genetischer Ausstattung des Individuums und Ernährung befasst. Eingangs wird der Begriff Nutrigenomik (abgeleitet von "Nutritional Genomics") definiert und erläutert und ein zusammenfassender Überblick über die Themen des Buchs gegeben. Anschließend befasst sich ein Kapitel mit den naturwissenschaftlichen Grundlagen der Nutrigenomik und benennt Beispiele für deren Anwendung.
Im dritten Kapitel geht es um ein umstrittenes Thema, nämlich die ethischen Probleme und Erwägungen bezüglich möglicher nutrigenomischer Tests und der Weitergabe von Informationen zum einen an den Getesteten, zum anderen an Dritte, beispielsweise Angehörige. Hier findet auch die Diskussion um möglicherweise künftig von Arbeitgebern oder Versicherungsgesellschaften forcierte Tests und den Schutz vor Missbrauch Eingang.
Ein weiteres Kapitel enthält mehrere Modelle, wie man nutrigenomische Tests am effektivsten - vor allem aus der Sicht des zu Testenden - und kostengünstigsten anbieten könnte. Der folgende Abschnitt enthält verschiedene Szenarien zur zukünftigen Eingruppierung bestimmter Nahrungsmittel, denen im Kontext der Nutrigenomik therapeutische oder vorbeugende Wirkung zukommen würde: Müssen diese dann konsequenterweise den Gesetzen unterliegen, die für Arzneimittel gelten?
Da nutrigenomische Tests nichts anderes als Gentests sind, ist ihre Durchführung teuer, somit nicht für jedermann erschwinglich. Deshalb befasst sich das vorletzte Kapitel mit dem Thema Gerechtigkeit. Kann das staatliche Gesundheitssystem solche Tests finanzieren - rechnen sich derartige Maßnahmen im Sinne einer Vorbeugung von hauptsächlich chronischen Krankheiten? In dieser und anderen Hinsichten bietet der letzte Abschnitt eine Zusammenfassung und einen Ausblick.
Die Diskussion um Gentests verläuft in der Öffentlichkeit und in der Politik hitzig und oft nicht sachlich, wozu verschiedenste Interessengruppen erheblich beitragen. Das bei Wiley erschienene Buch bietet umfassende Orientierungshilfen, ohne allzu tief in die naturwissenschaftlichen Grundlagen einzutauchen, sodass auch und vor allem Angehörige anderer mit der Problematik befasster Berufe und interessierte Laien die Hintergründe anhand dieser gründlichen Einführung gut nachvollziehen können. Da das Buch in einem unkomplizierten Englisch verfasst ist und praktisch sämtliche Fachausdrücke auch im Deutschen vorkommen, sind für die Lektüre keine Sprachkenntnisse erforderlich, die über ein solides Schulenglisch hinausgehen. Zwar spiegelt das Werk überwiegend die Situation in den USA wieder, doch die meisten Aspekte sind auch für Europa relevant oder könnten es werden.
Im Allgemeinen findet man zu kontrovers diskutierten Themen kaum objektive Literatur. Dieses Buch bildet eine Ausnahme, denn es nimmt Ängste und Einwände bezüglich der Nutrigenomik, insbesondere der damit verbundenen Gentests, sehr ernst, stellt jedoch auch die enormen Chancen heraus, die sich der Menschheit dank diesem Wissenschaftszweig auftun: Wenn wir darüber Bescheid wissen, welche chronischen Krankheiten uns mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit erwarten - eine Sonderstellung nehmen Erbkrankheiten mit unmittelbar einhergehender Stoffwechselstörung wie die Phenylketonurie ein -, so können wir durch eine entsprechend abgestimmte Ernährung diese Krankheiten verhindern, hinauszögern oder abmildern. Die andere Seite der Medaille präsentiert sich beispielsweise, wie bereits im Inhaltsabriss angeschnitten, wenn potenzielle Arbeitgeber solche (heute, wie auch im Buch angeschnitten, noch keineswegs sicheren) Tests fordern, um Bewerber mit genetisch vorgegebenen Krankheitsanfälligkeiten ablehnen zu können, oder wenn Versicherungen auf diese Weise agieren, um von vornherein auszuschließen, dass ein Versicherungsnehmer sie etwa aufgrund eines ererbten Herzinfarkt- oder Demenzrisikos teuer zu stehen kommt. Es fragt sich zudem, ob "problematische" Getestete verpflichtet sein sollten, ihre möglicherweise mit demselben Gen belasteten Verwandten zu informieren. All diese Aspekte werden sensibel und zugleich sachlich in gebotener Ausführlichkeit abgewogen. Dem politisch und sozial Interessierten kommt zudem die Diskussion der aus dem hohen Preis der Tests resultierenden Ungerechtigkeit entgegen, vorausgesetzt, die Krankenversicherung trägt solche Tests künftig nicht, sollten sie etabliert werden. Die Bedeutung der Nutrigenomik für weite Bereiche des Politischen und Sozialen geht auch aus den anderen Kapiteln hervor.
Wer sich für moderne naturwissenschaftliche und medizinische Entwicklungen, für Ethik in diesen Bereichen und für Gesundheitspolitik interessiert, kann sich mit diesem Buch gründlich und aus verschiedensten Blickwinkeln informieren. Allerdings ist es nicht gerade billig.