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Als der ehemalige Sonderermittler Shan Tao Yun von zwei Hirten in das kleine tibetische Dorf Drango gerufen wird, sieht er sich mit rätselhaften und befremdlichen Ereignissen konfrontiert. Zwei Tote wurden dort in den letzten Tagen aufgefunden. Neben den Leichen fand man einen bewusstlosen Mann mit blutbefleckten Händen, zu seinen Füßen einen blutigen Hammer, neben sich rätselhafte Zeichnungen. Ist er der Täter? Der Mann selbst kann nichts zum Tathergang berichten, denn er befindet sich im Koma und steht unter Bewachung. Der korrupte Dorfvorsteher Chodron, ein Anhänger chinesischer Bürokratie, möchte ein Exempel statuieren und seine Macht untermauern, indem er dem Fremden die Augen ausstechen lässt, sobald er aus seiner Bewusstlosigkeit erwacht.
Doch nicht nur die Umstände der Tat geben Shan und seinen beiden Freunden, dem Mönch Lokesh und dem Lama Gendun, Rätsel auf. Auch eine gehörige Portion Feindseligkeit schlägt dem chinesischen Ermittler entgegen. Offensichtlich soll der wahre Tathergang vertuscht werden, denn die Leichen sind unauffindbar. Wer sind die Toten, und warum wurden sie ermordet? Shan bringt in Erfahrung, dass der heilige Berg, an dem Drango liegt, reiche Goldvorkommen birgt. Zahlreiche Goldgräber haben hier ihre Claims abgesteckt. Aus diesem Grund fürchten die Dorfbewohner auch eine offizielle behördliche Untersuchung der Morde, denn dann wäre es vorbei mit Frieden und Ruhe. Als der unter Mordverdacht stehende Fremde schließlich aus der Bewusstlosigkeit erwacht, erwartet Shan eine Überraschung: Er ist gar kein Tibeter, sondern ein Navajo-Indianer, der gemeinsam mit seiner Nichte Abigail nach Parallelen zwischen tibetischer und indianischer Kultur forscht. Der Fall wird bald noch weitaus verworrener - weitere Leichen und ein uralter Pilgerpfad stellen Shan vor Rätsel
"Der Berg der toten Tibeter" ist der fünfte Band der Inspektor-Shan-Reihe von Eliot Pattison. Das Hörbuch, gelesen von Wolfgang Rüter, fordert vom Zuhörer von der allerersten Minute an volle Aufmerksamkeit. Das liegt nicht nur an den für unsere Ohren ungewohnten Namen der tibetanischen und chinesischen Figuren und der dichten Sprache, sondern auch an der recht komplexen Handlung. So erfährt man - soweit man die Vorgängerbände dieser Serie nicht kennt - nur bruchstückhaft die Umstände, unter denen Shan und seine beiden Freunde leben. Alle drei sind Einwohner eines illegalen buddhistischen Klosters und waren lange Jahre in einem Arbeitslager inhaftiert. Shan war ein Regierungsbeamter in Peking, bis er aufgrund angeblicher konterrevolutionärer Aktivitäten in Ungnade fiel und schließlich in Tibet in ein geheimes Kloster gelangte.
Wenigstens Grundkenntnisse über die chinesische Kulturrevolution und die chinesische Okkupation Tibets erleichtern das Verständnis dieser Geschichte ungemein, zumal die Kritik an der chinesischen Tibet-Politik sich wie ein roter Faden durch die gesamte Geschichte zieht. Mythologie und Geschichte Tibets spielen neben der Krimihandlung eine große Rolle - wenn nicht sogar die größere Rolle -, und so detailliert wie Eliot Pattison Land und Leute beschreibt, fühlt man sich unmittelbar hineinversetzt in das kleine Land im Himalaya.
Der Detailreichtum birgt allerdings auch Schwächen. So erscheint die Lesung nach einem mitreißenden Einstieg stellenweise merkwürdig bruchstückhaft, wie ein Puzzle, bei dem zwar sehr viele kleine Teile eine Rolle spielen, aber oft nicht mehr klar ist, welche Rolle. Der Zuhörer muss sich schon gewaltig anstrengen, um die vielen kleinen Geschehnisse in Zusammenhang zu bringen und den Faden nicht zu verlieren. Deshalb wirkt "Der Berg der toten Tibeter" zumindest streckenweise eher ermüdend und ohne Dynamik. Sogar wenn einschneidende Ereignisse geschehen - wenn zum Beispiel eine Frau verschwunden und offenbar in Lebensgefahr ist oder wenn Chans Freund, der Lama Gendun, gefoltert wird - bleiben die Figuren merkwürdig unbeteiligt und gehen einfach weiter ihren Ermittlungen nach, als dränge die Zeit kein bisschen.
Mit "Der Berg der toten Tibeter" hat Eliot Pattison den fünften Teil seiner Krimireihe um den chinesischen Ermittler Shan vorgelegt. Wer sich für Tibet begeistert und sich für die China-Tibet-Problematik interessiert, wird an diesem scharfsinnigen, gesellschaftskritischen und gut gelesenen Hörbuch sicher seine Freude haben. Insgesamt fehlt dem Roman stellenweise ein wenig der erkennbare Zusammenhang, so dass viel Konzentration und eine gehörige Portion Langmut beim Hören gefordert sind. Wer die Krimireihe nicht kennt, sollte ohnehin besser mit Band 1 ("Der fremde Tibeter") beginnen.