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In einem abgelegenen österreichischen Dorf namens Grein am Gebirge ist ein grausamer Mord geschehen - ein junges Mädchen starb an ihrem vierzehnten Geburtstag, weil man ihr den Rücken brutal öffnete.
Ein Team der Wiener Mordkommission unter Leitung von Alex Körner fährt an den Tatort, um den Fall aufzuklären. Körner übernimmt diesen Auftrag nur sehr ungern und verlässt am ersten Abend auch übereilt den Ort, anstatt einen wichtigen Zeugen zu befragen. Er ist in Grein aufgewachsen, kennt all die Schattenseiten von einsamen Dörfern und vor allem: Hier starben seine Eltern. Den Tod seiner Mutter erlebte Körner als Junge sogar aus nächster Nähe mit. Es sind also keine schönen Erinnerungen, die ihn mit Grein verbinden und die Einwohner heißen ihn auch nicht gerade willkommen. Nicht nur die typische Schroffheit gegenüber Auswärtigen bekommt er zu spüren, eher sind es alte offene Rechnungen und besondere Ablehnung.
Körner steht aber auch wegen seines letzten Einsatzes unter Druck: Nicht nur wurde ein Kollege von ihm mit seiner Dienstwaffe verletzt, die der Geiselnehmer Körner entwenden konnte, er hat den Geiselnehmer mit einem Schlag vor dem Kehlkopf ausgeschaltet und dieser schwebt nun in Lebensgefahr. Um die Sache "abzurunden" ist seine Ex-Freundin als Pathologin Teil seines Teams und die beiden sind sich mittlerweile spinnefeind.
Die Ermittlungen werden nicht nur durch die Ablehnung durch die Dorfbevölkerung erschwert, durch starke Überschwemmungen drohen ein Dammbruch und die Unmöglichkeit der Rückkehr nach Wien. Letztlich passiert eben genau dies und das Team ist in Grein eingeschlossen, zusammen mit dem Mörder, oder gar den Mördern?
Schnell wird klar, dass es sich nicht um einen "normalen" Mord handelt und immer mehr Ungereimtheiten treten zu Tage. Erst kann von einem Mörder ausgegangen werden, dann sind aber drei Täter wahrscheinlicher, später muss von noch mehr ausgegangen werden. Was für eine Teufelei steckt dahinter? Und wer hat die Presse zum Zeitpunkt des Mordes zum Tatort bestellt? Und es bleibt nicht nur bei einer Leiche ?
Ohne zu viel verraten zu wollen, wer bedenkt, in welcher Reihe der Roman erscheint, wird nicht verwundert sein, dass die Lösung weit abseits menschlicher Vorstellungskraft liegt und so einige Überraschungen zu bieten hat.
Bewertung:
Als ich das Buch das erste Mal in meinen Händen hielt kam mir folgender Gedanke in den Sinn: "460 Seiten? Ob das Not tut?" Nach der Lektüre der Geschichte muss ich sagen, so gut sie auch ist, etwas kürzer hätte sie sein dürfen. Das ist aber eigentlich auch schon der einzige Kritikpunkt.
Der Autor weiß wirklich zu unterhalten und Spannung aufzubauen. Seine Protagonisten (das Polizei-Team) sind mehr als nur Namen, sondern werden mit Leben gefüllt. Natürlich könnte man anbringen, dass geschiedene, zynische PolizistInnen nicht unbedingt etwas Neues sind, aber Figuren wie die Beschreibung der Arbeitsweise wirken sehr realistisch, die Beratung des Autors durch aktive Polizisten zeigt sich dort.
Grein, das "österreichische Innsmouth", verbreitet seinen ganz eigenen Horror, aber auch die Schilderung eines kleines abgeschiedenen Dorfes und seiner "normalen" Geheimnisse wirkt sehr realistisch und beinhaltet auch seinen Horror.
Die Geschehnisse im Bergwerk scheinen sorgfältig recherchiert zu sein, sie wirken zumindest stimmig. Störend sind bisweilen nicht erklärte Begriffe, die entweder der österreichischen Sprache oder der Sprache der Bergmänner entstammen.
Der Judas-Schrein ist nach diversen Kurzgeschichten der erste Roman von Andreas Gruber. Auf seiner Homepage ist nachzulesen, dass eben jene Kurzgeschichten den Vorteil haben, die Spannung bis zum Ende halten zu können. Eine Ansicht, die übrigens sinngemäß zum Beispiel auch Markus K. Korb vertritt und die sicherlich nicht verkehrt ist.
Warum nun also direkt ein "Wälzer" mit knapp 460 Seiten, von denen sich die ersten 250 wie ein ganz normaler Krimi lesen? Wüsste man als Leser nicht, in welcher Reihe dieser Roman erschienen ist, würde man annehmen müssen, einen Krimi und nicht ein Horrorbuch vor sich zu haben.
Der Autor hätte hier straffen sollen. Es ist ja löblich, dass die Protagonisten sich entwickeln, sich vorstellen dürfen, dass sich die Spannung langsam aufbaut, das Dorf und seine Einwohner geschildert werden, dass es verschiedene Erzähl- und Zeitebenen gibt, das die Geschehnisse im Bergwerk und während des Hochwassers geschildert werden. Aber alles zusammen ist ein wenig zu lang.
In dem Roman gibt es gibt drei Erzählebenen, wobei die dominierende in der Gegenwart angesiedelt ist (also der Mord und die Ermittlung) und die beiden anderen die Vergangenheit beleuchten. Cthuloid erfährt man viel aus "fauligen Folianten", hier aus dem Tagebuch eines Messdieners, der 1864 mitverfolgte, wie das Grauen das erste Mal nach Grein kam. Der dritte und letzte Erzählstrang schildert ein Bergwerksunglück aus dem Jahre 1937.
Fazit:
Manchem Horrorfan mag es zu lange dauern, bis der Roman "zur Sache kommt", denn so wirklich übersinnlich wird es erst im letzten Drittel des Romans. Ein wenig wirkt die Geschichte so, als ob auf einem Krimi eine Horrorgeschichte übergestülpt wurde.
Auch ist das Ende etwas unrealistisch und lang geraten, Körner gelingt immer wieder die Flucht aus ausweglos erscheinenden Szenerien, er wird etwas zu stark heroisiert. Außerdem hätte eine Straffung dort auch wieder ein paar Seiten weniger bedeutet.
Wer aber nichts gegen eine eingeschobene Krimihandlung hat und einen guten Horror-Roman mit cthuloidem Einfluss lesen will, der ist bei
Der Judas-Schrein gut aufgehoben. Ich habe so manche Stelle weiter lesen müssen, weil ich wissen wollte, wie es weitergeht, wenn auch vor allem im letzten Drittel.
Wie gesagt, von allem ein bisschen weniger und dann wäre es ein wirklich herausragender Roman gewesen, so ist es ein guter Roman mit Längen, der etwas zuviel bieten will.
Letztlich werden natürlich cthuloide Standards gebracht, ein abgeschottetes Dorf, ein altes Tagebuch, das Grauen außerhalb der normalen Welt etc. Aber hier werden sie in eine moderne Handlung eingeflochten. Wie schon in
Das Haus der Kröte kommt der Cthulhu-Mythos nicht nur handlungsmäßig, sondern auch schriftstellerisch in der Neuzeit an. Vorbei sind die Zeiten, in denen der Protagonist einen alten Text findet, diesen liest, die grauenhafte Wahrheit der Dinge erfährt und dann entweder den Verstand oder das Leben (oder beides) verliert. Hier handelt es sich auch nicht um eine Geschichte im Stile von Howard, die man weniger mit Spannung liest wegen der Handlung, sondern eher, um mehr Hintergründe über den Cthulhu-Mythos zu erfahren. Letztlich spielt der Cthulhu-Mythos in
Der Judas-Schrein keine allzu große Rolle, das Grauen von Grein würde auch ohne den Mythos funktionieren. Natürlich hat die Form etc. einen besonderen "Mehrwert" für Liebhaber des cthuloiden Horrors.
Eine Abwechslung ist auch der Schauplatz Österreich, wenn auch kein allzu exotischer für die deutschsprachigen Leser.
Für die Zukunft wäre zu wünschen, dass Gruber (oder sein Lektor) seine Romane straffen wird. Der vorliegende Band zeigt, warum er die gewonnen Preise auch verdient hat. Ein Autor mit Können und Potential. Und ein gutes Buch. Weitermachen ?