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"Alle anderen haben aber ?", "Alle anderen dürfen aber ?", "Niemand muss ?"
Argumente dieser Art kennen alle Eltern, und zwar desto intensiver, je älter der Nachwuchs ist. Ob Markenklamotten und Handy, Fernsehkonsum, Taschengeld, abendliche Ausgehzeiten, häusliche Mitarbeit oder Zubettgehen: Um nervenaufreibende Diskussionen und Streit kommen Eltern nicht herum. Und zwangsläufig fallen dann die oben genannten Totschlagargumente.
Was aber haben "alle", also, großzügig interpretiert, der Durchschnitt? Was dürfen und müssen Kinder und Jugendliche in einem bestimmten Alter? Eltern tut es mitunter gut, Richtwerte zu kennen, mit denen sie Söhne und Töchter konfrontieren können. Und genau diese Informationen bietet der Erziehungsnavigator von Gerald Drews.
Als erstes Thema wird das Taschengeld behandelt: In welchem Alter ist wie viel üblich, in welchem Turnus sollte es ausgezahlt werden, was ist davon zu begleichen und wie sinnvoll sind darüber hinaus eigenständig verwaltete Budgets für Schulbedarf und Kleidung? Fernsehen und Computer sind ein weiteres Reizthema: Wie viel und was wird konsumiert - mit welchen Folgen? Essen und Essstörungen führen ebenfalls zu familiären Konflikten. Auch hierzu existieren Richtwerte; so findet sich im Navigator eine Liste der Body-Mass-Indices, getrennt für Jungen und Mädchen und nach den Befunden Normalgewicht sowie leichtes und starkes Über- und Untergewicht geordnet.
Piercing und Tattoos verursachen gleichfalls häufig Streit in der Familie. Bedrohlicher sind freilich Alkoholismus und andere Süchte. Der Navigator zeigt auf, was Alkohol und Drogen für Kinder und Jugendliche attraktiv macht und welche Gefahren lauern.
Der soziale Aspekt nimmt einen erheblichen Teil des Buchs ein: Freunde, Mobbing, erste Liebe und Sexualität, Ausgehen und Ferien ohne Eltern; wie sieht hierbei die "Norm" aus, wonach können sich Eltern richten? Auszüge aus dem Jugendschutzgesetz sind im Navigator abgedruckt, ebenso aber der Hinweis, dass Eltern strenger als das Gesetz sein dürfen!
Am Schluss steht das Familienleben mit Aspekten wie Hausaufgaben, Hausarbeit, gemeinsame Mahlzeiten, Ordnung, Haustiere. Hier existieren natürlich weniger "Normen" aus Umfragen, wohl aber Erfahrungswerte.
Auf den ersten Blick erscheint das Buch für einen Erziehungsratgeber reichlich dünn. Aber es soll ja kein Ratgeber im eigentlichen Sinne sein. So werden auch nicht immer Konflikt- und Problemlösungen angeboten, die man sich vielleicht wünschen würde - zum Beispiel beim Thema Mobbing -, und psychologische Hintergrundinformationen sowie Konfliktlösungsstrategien und Ähnliches fehlen. Darum geht es beim Erziehungsnavigator nicht. Er will, wie eingangs erwähnt, Eltern konkrete Zahlen und Daten liefern, mittels derer sie sehen können, wie bestimmte Erziehungsfragen und -probleme in Deutschlands "Durchschnittsfamilie" gehandhabt werden. Bei anderen Erziehungsaspekten gibt es Empfehlungen zuständiger, anerkannter Behörden und Vereine, hier und da auch Hinweise auf Websites, auf denen entsprechende Schwierigkeiten und Fragen thematisiert werden.
Mehrfach finden Eltern Vergleiche zwischen dem Prozentsatz der Kinder und Jugendlichen, die sich etwas wünschen, beispielsweise in Bezug auf Markenprodukte oder einen eigenen Computer, und die prozentuale Rate der Wunscherfüllung durch die Eltern. Das mag manchem verzweifelten Erziehenden das Neinsagen etwas erleichtern!
Die Kürze, oft auch bedingt durch die eingebetteten tabellarischen Übersichten, in der die Hilfen angeboten werden, kommt vielen Eltern gelegen, die nicht die Zeit haben, ausführliche Ratgeber zu lesen. So werden auf einer einzigen Seite Orientierungshilfen zum Spielzeugkauf für Kinder bis zu zwölf Jahren angeboten, nach Entwicklungsphasen geordnet. Hier werden zum einen die Fähigkeiten und Bedürfnisse der Kinder im jeweiligen Alter angegeben, zum anderen Spielzeuge und Sportgeräte, die diese Fähigkeiten fördern und den Bedürfnissen entsprechen.
Auch wenn man eine liberale Einstellung hat und lieber großzügige Grenzen steckt, entdeckt man im Erziehungsnavigator nützliche Hinweise, etwa darauf, was Kindern bei der Internetnutzung und insbesondere beim Chatten einzuschärfen ist. Die Geheimhaltung persönlicher Daten etwa, die für uns Erwachsene zu den Selbstverständlichkeiten gehört, muss man den oft vertrauensseligen Kindern mühsam beibringen.
Das Buch ist gut strukturiert, übersichtlich aufgebaut und von angenehmem Layout; es wird von humorvollen Illustrationen aufgelockert.
Also: Wenn Sie kurz und bündig wissen möchten, wie strittige Erziehungsfragen heute in der Praxis gehandhabt werden oder was zuständige Stellen diesbezüglich empfehlen, greifen Sie zu. Sie werden das Büchlein sicher öfter brauchen können, schon allein, um dem maulenden Junior schwarz auf weiß zu präsentieren, dass keineswegs "alle" mehr und bessere Sachen bekommen als er beziehungsweise sie.