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Der junge Journalist Paul Tomm arbeitet in dem Städtchen Lincoln im neuenglischen Connecticut für das Provinzblättchen "Carrier". Als er einen Nachruf auf einen verstorbenen estnischen Universitätsprofessor namens Jaan Pühapäev schreiben soll, glaubt er zunächst an einen Job wie jeden anderen. Es stellt sich jedoch schnell heraus, dass an der Story mehr dran ist, und in Paul erwacht so etwas wie investigativer Ehrgeiz. Im Haus des Verstorbenen fällt ihm eine Vitrine ins Auge, die leer ist bis auf fünfzehn Ständer, die aussehen, als hätten sie vorher verschiedene Exponate beherbergt.
Der Pathologe, der den toten Professor obduziert, macht die Entdeckung, dass der über 70-jährige Verstorbene außergewöhnlich gut erhaltene Organe hat, so als sei sein biologisches Alter weitaus geringer als siebzig. Leider kann der Pathologe nichts Weiteres herausfinden, denn er kommt kurz darauf bei einem mysteriösen Unfall ums Leben. Und es scheint noch mehr Ungereimtheiten im Leben von Jaan Pühapäev gegeben zu haben, der als weltfremder, dem Lehrbetrieb abgeneigter Sonderling galt. Zweimal geriet er mit dem Gesetz in Konflikt, als er mit einer Waffe auf dem Universitätscampus herumfuchtelte, und schien außerdem höchst paranoid zu sein. Mit Hilfe einiger Freunde - einem ehemaligen Professor, der Musiklehrerin Hannah Rowe, in die Paul sich verliebt, und einem Polizisten - versucht Paul, Licht in die mysteriöse Angelegenheit zu bringen. Wer war Jaan Pühapäev wirklich, und was hat es mit den geheimnisvollen Artefakten auf sich, die sein Leben bestimmten? Im Zuge seiner Recherchen gerät Paul Tomm selbst in Lebensgefahr ...
Der Debütroman von Jon Fasman gliedert sich in zwei Erzählebenen. Der Hauptstrang der Geschichte erzählt die oben beschriebenen Ereignisse. Die einzelnen Kapitel werden immer wieder unterbrochen von kurzen Episoden, die von fünfzehn höchst außergewöhnlichen, mystischen Gegenständen berichten: fünfzehn Objekte, die im 12. Jahrhundert aus der Bibliothek des großen Geographen, Universalgelehrten und Alchemisten Al-Idrisi geraubt wurden. So erfährt der Leser nach und nach, was es unter anderem mit dem
Destillierkolben,
Ferahids Goldener Flöte, den
Käfigen des Kaghan und dem
Sheng auf sich hat. Diese kleinen, häufig kuriosen Unterbrechungen sind höchst unterhaltsam, weil in sehr unterschiedlicher Form geschildert wird, auf welchen Umwegen die geraubten Objekte den Weg zu ihrem jeweils letzten Besitzer fanden, welche Kräfte ihnen innewohnen und welchen Wert sie besitzen. Fasman verknüpft in seinen Schilderungen Mystik mit historischen Fakten, politisch Interessantes mit Thriller-Elementen.
"Die Bibliothek des Alchemisten" besitzt eine starke Idee für einen interessanten Plot, einen spannenden Einstieg und weiß auch sprachlich durchweg zu überzeugen. Diese Stärken können jedoch nicht über die große Schwäche des Romans hinwegtäuschen: Fasman hat sich offensichtlich vollkommen verzettelt. Es passiert einfach viel zu wenig, Begebenheiten werden endlos zerredet, bis der spannende Einstieg sich irgendwann komplett in Luft aufgelöst hat. Nach vierhundert Seiten ist auch der wohlwollenste Leser am Ende seiner Geduld angelangt. Man gerät stark in Versuchung, die Seiten nur noch zu überfliegen, um endlich zum Ende und zur ersehnten Auflösung zu gelangen. Sogar die eingestreuten Kapitel über die fünfzehn alchemistischen Artefakte - die allesamt faszinierend und kunstvoll erzählt sind - langweilen mit der Zeit, bewegt sich die Geschichte doch fast gar nicht von der Stelle. Schließlich quält man sich nur noch durch die Geschichte, so spannend sie am Anfang auch gewesen sein mochte. Man fühlt sich hin- und her gerissen - der Roman kann kaum als schlecht bezeichnet werden, weil die Ideen, die dahinter stecken, gut mit historischen Fakten und interessanten Anekdoten unterfüttert sind. Doch auch die beste Geschichte kann kaputt geschrieben werden, wenn der Autor den Faden verliert und mehrere hundert Seiten lang kaum etwas passiert, so dass man schließlich die Lust verliert. "Die Bibliothek des Alchemisten" ist leider für einen Thriller zu gemächlich und für einen fesselnden historischen Roman zu schwammig. Insgesamt trotz starker Ausgangssituation eine Enttäuschung.