Mit diesem Band aus der Reihe "Eine Geschichte der Bundesrepublik in Fotografien" legt der Primus Verlag einen weiteren Meilenstein der Geschichte der jungen Bundesrepublik vor: Stehen die 60er Jahre für das Wirtschaftswunder, so zeigt sich im darauf folgenden Jahrzehnt, dass die Volkswirtschaft angreifbar ist. Die Demokratie macht in den Siebzigern nicht zuletzt aufgrund des Terrorismus ernstliche Krisen durch, aus denen sie jedoch gestärkt hervorgeht.
Eingangs erhält der Leser einige Informationen zum der Reihe zugrunde liegenden Projekt: Bilder in ihrer Eigenschaft als Schlaglichter in der Erinnerung des Einzelnen und ihrer daraus resultierenden Bedeutung für die Massenmedien. Denn letztlich verbinden wir vor allem Bilder aus Fernsehen und Presse mit bestimmten politischen Ereignissen von Tragweite.
Das Buch weist wie seine Vorgänger eine klare inhaltliche Gliederung auf. Im ersten Kapitel geht es um die Innenpolitik und die Bewährungsproben für die noch junge, im Grunde unerfahrene bundesdeutsche Demokratie, wobei, wie erwähnt, der während der Olympischen Sommerspiele in München einsetzende Terrorismus eine große Rolle spielt. Doch auch die Erkenntnis, dass dem Wirtschaftswachstum und damit dem Wohlfahrtsstaat Grenzen gesetzt sind - was viele Interessengruppen nicht einsehen wollen - prägt das Jahrzehnt. Die Politiker Brandt und Schmidt drücken dem Jahrzehnt ihren Stempel auf.
Die Außenpolitik ist Gegenstand eines weiteren Kapitels. Hierin werden vor allem Brandts seinerzeit umstrittene Ostpolitik und die daraus resultierende Annährung an die Warschauer-Pakt-Staaten einschließlich der DDR vorgestellt, darüber hinaus beispielsweise auch die EG-Erweiterung sowie der Vietnam- und der Afghanistankrieg. Das nächste Kapitel befasst sich mit den Wirtschaftskrisen der Siebziger und der Umweltproblematik, die von der Öffentlichkeit erstmals wahrgenommen wird.
Gesellschaft und Kultur des Jahrzehnts sind, wie das Buch aufzeigt, von letzten eigenständigen Modeströmungen, Shows wie "Dalli Dalli" und der Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus geprägt. Doch es werden auch sportliche Erfolge gefeiert, und die Musikszene wird von der Band ABBA und dem Glamour der Disco-Welt dominiert, der John Travolta in "Saturday Night Fever" ein Denkmal setzt.

Am Anfang jedes Kapitels findet der Leser einen einführenden Text zu den einzelnen Unterthemen, begleitet von Ausschnitten aus den repräsentativsten Fotos der anschließenden Sammlung. Diese Texte fassen Ereignisse und Stimmungen, Medienwirksames und Hintergründe vorzüglich zusammen, sodass sich Leser, die in den Siebzigern Kinder oder noch nicht geboren waren, rasch in die damalige Epoche einfinden, während jene, die die 70er Jahre bewusst miterlebt haben, ihre Erinnerungen auffrischen und gegebenenfalls um einiges Hintergrundwissen erweitern können.
Besondere Bedeutung misst der Autor zu Recht dem Aufkommen des Terrorismus zu, dem 1972 in München völlig unvorbereitete Sicherheitskräfte gegenüberstanden, und der 1977 einen Höhepunkt erreichte. Aber auch die nicht auf die Bundesrepublik beschränkten wirtschaftlichen Schwierigkeiten und der daraus resultierende Verlust der Vollbeschäftigung (beziehungsweise die einsetzende Massenarbeitslosigkeit) sind wichtige Themen, zumal sie den von Willy Brandt vorangetriebenen Wohlfahrtsstaat empfindlich trafen und, wie erwähnt, dessen Grenzen aufzeigten.
Der Fototeil spiegelt die zuvor erläuterten Themen schlaglichtartig wider. Natürlich handelt es sich bei den Bildern um eine willkürliche Auswahl, die aber gut getroffen wurde, sodass kein wichtiger Aspekt außen vor bleibt, während auch Ereignisse Eingang gefunden haben, die auf den ersten Blick trivial wirken, zum Beispiel eine Straßensperre von 1978 gegen die Gebietsreform, die bei der Bevölkerung vielfach auf Protest stieß. Hier zeigt sich exemplarisch, dass die Bürger zunehmend weniger bereit waren, sich politische Maßnahmen einfach verordnen zu lassen.
Die Fotos sind teils schwarzweiß, teils in Farbe und von guter Qualität, und sie werden sämtlich kommentiert - wo nötig, auch ausführlich.
Eine chronologische Übersicht am Ende des Buchs enthält die Höhepunkte der einzelnen Jahre des Jahrzehnts. Außer politischen und kulturellen Meilensteinen, die man in Geschichtsbüchern wieder findet, werden auch scheinbar triviale Ereignisse wie die Erfindung des Zauberwürfels und die Vorstellung der ersten Tastentelefone aufgeführt, denen im Alltag der Siebziger einige Bedeutung zukam. Diese Vielschichtigkeit und die Berücksichtigung des täglichen Lebens machen das Buch und die ganze Reihe so informativ und sympathisch.
Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass "Die 70er Jahre" das Jahrzehnt aus den unterschiedlichsten Blickwinkeln auf interessante und packende Weise zusammenfasst, wobei vor allem das Konzept, repräsentative Fotos sprechen zu lassen, einen unmittelbaren Einblick in das Leben der Deutschen in dieser Zeit vermittelt und die politischen Herausforderungen ungeschminkt aufzeigt.