Der elfjährige Miles Wednesday lebt in einem Fass, seit er aus dem Waisenhaus geflohen ist. In dem Fass lebt es sich eigentlich ganz gut - jedenfalls besser als im Waisenhaus - und Miles hat sogar Gesellschaft in Form des Stoffbären Mandarine. Als jedoch eines Nachts im Oktober der unheimliche Zirkus Oscuro seine Zelte in dem kleinen Städtchen, in dem Miles wohnt, aufschlägt, wird für den Jungen alles anders und fürchterlich aufregend. In der gleichen Nacht erscheint Miles nämlich ein ausgewachsener Tiger, der auch noch sprechen kann und der behauptet, dass Miles Zirkusblut in sich hätte.
Um das Geheimnis des sprechenden Tigers zu ergründen, besucht Miles am nächsten Tag den Zirkus Oscuro und macht die Bekanntschaft der kleinen Little, einem sechsjährigen Mädchen, das aus einer anderen Welt zu stammen scheint und wundersamerweise Flügel hat. Als Miles Little aus dem sonderbaren Zirkus befreit, legt er sich dadurch nicht nur mit dem fiesen Zirkusdirektor, dem Großen Cortado, an, sondern bringt auch das Zero, ein grauenhaft-zotteliges Ungeheuer, auf seine Fährte. Mithilfe einer im Zirkus gefundenen Eintrittskarte machen sich Miles und Little auf dem Rücken des Tigers auf dem Weg zum "Palast des Lachens" - einem Ort, der viel unheimlicher und grauenerregender ist, als der fröhliche Name vermuten lässt. Jeder, der diesen Palast betritt, verliert die Fähigkeit glücklich zu sein …

Jon Berkeleys Debütroman "Das gestohlene Lachen" ist ein Juwel der Kinderbuchliteratur, das sich vielleicht nicht direkt auf den allerersten Seiten erschließt, das aber sofort durch seinen Charme und Wortwitz besticht. Vieles ist nicht gerade neu - gestohlenes Lachen und unheimliche Zirkusse kennt man aus anderen Geschichten bereits zur Genüge - aber je weiter man in diese Geschichte eindringt, umso liebenswerter, spannender und fantasievoller wird sie, so dass man das Buch irgendwann gar nicht mehr weglegen kann.
In den besten Szenen läuft der Autor zu einer Hochform auf, die an Roald Dahl erinnert, denn Berkeleys Welt ist bevölkert von skurrilen und liebenswerten Figuren wie etwa dem kauzigen Kriegsveteranen Bolzenglas von Arabien und der dicken Lady Partridge, die gemeinsam mit zahllosen Katzen in einem Baumhaus lebt. Die Figuren sind überzogen märchenhaft, aber das macht nichts, denn schließlich wartet dieses Abenteuer mit einer ganzen Reihe von märchen- und fantasyhaften Elementen auf - Engel und sprechende Tiere, namenlose Ungeheuer, bizarre Artisten, verlorene Jungen.
Die Geschichte ist teils gruselig, aber nicht übermäßig gruselig, so dass sie für Kinder ab etwa neun Jahren geeignet ist. Die Handlung besitzt einige extrem spannende Momente, zum Beispiel wenn Miles ganz allein gegen eine Bande von Straßenjungen in dem mörderischen Spiel "Schweineball" antreten muss - eine geniale Szene, die von der Atmosphäre her problemlos in die "Mad Max"-Filmreihe hineingepasst hätte.
Neben den vielen herrlichen Einfällen und einer spannenden und teils rührenden Geschichte besitzt "Das gestohlene Lachen" auch sprachlich viele hübsche Einfälle und einen Erzählstil, der nicht so "abgenudelt" ist wie bei vielen anderen Kinderbüchern.
Dieser Auftakt zu einer neuen Kinderbuchreihe - Miles und Little sollen noch weitere Abenteuer erleben - bietet alles, was kleine Leser schätzen: Spannung, Humor und Abenteuer; für jung gebliebene Erwachsene ist das Buch sicher auch lesenswert, weil es neue Einfälle besitzt und durch seine teils skurrilen Ideen punkten kann.

Die Geschichte um Miles und Little wurde im Englischen bereits fortgesetzt mit Teil 2 "Tiger’s Egg", kleine und große Leser in Deutschland müssen sich bis zur deutschen Ausgabe leider noch gedulden.