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 Lehrbuch der systemischen Therapie und Beratung


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In den letzten achtzig Jahren haben sich die Paradigmenwechsel in der Wissenschaft gejagt. Es gab sprachphilosophische Wenden und kognitive Wenden. Die letzte dürfte die systemische Wende sein, obwohl diese deutlich ältere Wurzeln hat und sich über Leibniz bis in die mittelalterliche Philosophie zurückverfolgen lässt. Die systemische Therapie und Beratung ist jedenfalls ein neues Phänomen. Arist von Schlippe und Jochen Schweitzer haben darüber ein Lehrbuch geschrieben, das wenig zu wünschen übrig lässt. In sechzehn Kapiteln werden die Geschichte, die Theorie, die Praxis und die Anwendungsfelder der systemischen Therapie und Beratung vorgestellt.
Im ersten Kapitel wird die Entwicklung von der Familientherapie zur systemischen Therapie geschildert. Dies geschieht zwar sehr knapp, dafür aber wird die größtmögliche Bandbreite von Ansätzen vorgestellt - das Mailänder Modell, Shazers Kurztherapie oder die Familienaufstellung von Bert Hellinger sind einige davon.
Das zweite bis vierte Kapitel führen in die Theorie der systemischen Praxis ein. Im zweiten Kapitel werden wesentliche Grundgedanken - Paradigmen - der systemischen Therapie vorgestellt. Dabei wird deutlich, dass der Paradigmenwechsel der systemischen Praxis nicht aus einem einzigen besteht, sondern aus zahlreichen: der Kybernetik erster und zweiter Ordnung, der narrativen Ordnung der Alltagswelt und der Pluralität der Erzählungen. Im dritten Kapitel werden Kernfragen der systemischen Theorie erläutert und im vierten Kapitel auf das Problem mit "Problemen" eingegangen.
In einem dritten Teil und acht Kapiteln stellen die Autoren wesentliche Aspekte der Praxis dar: die besondere Art, mit Hypothesen umzugehen (Kapitel 6), das systemische Fragen (Kapitel 7), Familienskulpturen (Kapitel 8), Kommentare und Schlussinterventionen (Kapitel 9 und 10), schließlich die Arbeit mit dem reflektierenden Team (Kapitel 11) und der äußere Rahmen systemischer Praxis (Kapitel 12). In einem einleitenden Kapitel (Kapitel 5) wird die Grundhaltung eines systemischen Beraters vorgestellt.
Dass die systemische Beratung Einmischung ist, wird auch daran deutlich, dass sie sich überall einmischt. Die Vielfalt der Praxisfelder wird in zwei weiteren Kapiteln vorgestellt, einmal nach spezifischen Problemstellungen (Kapitel 13) und einmal nach klassischen Arbeitsfeldern (Kapitel 14), hier - unter anderem - Psychiatrie, Schule und Management.
Schließlich versuchen die Autoren eine kritische Einschätzung der systemischen Beratung und den aktuellen Stand der Diskussion mit anderen Fachgebieten und Therapie- und Beratungsformen.

Sucht man fachlich fundierte und lesbare Bücher, ist man sowieso meist mit den systemischen Beratern gut bedient. Dieses Buch hat sich zu so etwas wie einem Verkaufsschlager entwickelt. Zu Recht, denn es ist flüssig geschrieben, erläutert auch schwierige Modelle verständlich und zudem überzeugt es mit viel Witz und Charme.
Ein Lehrbuch muss immer auswählen, was es darstellen möchte. Nicht immer gelingt dies - in diesem Buch allerdings sehr gut: wer einen Einstieg in die (Gedanken-)Welt des Konstruktivismus und der systemischen Theorie braucht, wird hier mit einem sicheren Fundament versorgt.
Ein allerletztes Kapitel ist mit den Sätzen überschrieben: "Glauben Sie keinem Lehrbuch! (Allenfalls unserem)". Auch dieser Rezension dürfen sie natürlich Glauben oder Unglauben schenken, wie Sie wollen. Ich lese dieses Buch immer wieder gerne und mit großem Vergnügen.

Frederik Weitz



Taschenbuch | Erschienen: 01. Januar 2000 | ISBN: 9783525456590 | Preis: 29,90 Euro | 333 Seiten | Sprache: deutsch

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