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Robert hat es nicht gerade leicht. Sein Stiefvater Jens trinkt und schikaniert Robert, wo er nur kann, und die Mutter traut sich nicht, etwas dagegen zu unternehmen. Auch muss Robert seine kleine Schwester fast allein versorgen. Dass die kleine Lotta ihn sehr liebt, ist nicht immer ein Ausgleich für seinen Mangel an Freiheit und die vielen Gemeinheiten von Jens. Zum Glück wohnt Josefa gleich nebenan, seine Freundin, die stets einen Ausweg aus der Patsche weiß und nicht mal vor Jens Angst hat.
Als Robert eines Abends noch zum Spielplatz geschickt wird, um Lottas verlorene Mütze zu suchen, kommt eine vermummte Gestalt aus dem Gebüsch, schenkt Robert einen Geigenkasten und verschwindet wieder. Völlig überrascht nimmt Robert den Kasten mit und packt ihn bei Josefa aus - zu Hause würde er damit ja doch nur Ärger bekommen! Es ist eine schöne Geige darin und ein Zettel, auf dem steht, dass Robert umsonst Geigenunterricht bei Fräulein Stockhausen, Brahmsgasse 123, nehmen darf. Wie gut, denn Geld für Musikstunden würde Robert sowieso nicht bekommen.
Heimlich ziehen die Kinder am nächsten Tag los, um die Geigenlehrerin zu besuchen, und es gibt sie tatsächlich! Robert erhält seine erste Geigenstunde, und er macht sich richtig gut und hat sehr viel Freude am Musizieren. Doch bereits auf dem Heimweg gerät Robert in Schwierigkeiten: Ein geheimnisvoller, unsympathischer Mann fragt ihn und Josefa nach einer Geigenlehrerin und wirft seltsame Blicke auf den Geigenkasten. Dann erwischt Jens Robert, der drei Minuten zu spät nach Hause gekommen ist, und verdonnert ihn gleich zu Hausarrest, obwohl Robert doch am nächsten Tag wieder Geigenstunde hätte. Robert hat wenig Lust, sich zu fügen - und schon stecken Josefa und er mitten in einem verrückten und gefährlichen Abenteuer, in dem plötzlich sogar drei Geigen eine Schlüsselrolle spielen.
Die beiden Kinder, die in dieser spannenden Geschichte als Protagonisten fungieren, muss man einfach mögen. Mit Robert, der es wirklich schwer hat, empfinden Kinder sofort Mitgefühl und bewundern ihn dafür, dass er trotz allem so fürsorglich mit seiner kleinen Schwester umgeht. Josefa wiederum erweist sich als tolle Verbündete voller Mut und pfiffiger Ideen. Großartig ist auch die Figur der rätselhaften Geigenlehrerin konzipiert, die Roberts Talent erkennt und fördert und ihm dadurch einen Ausweg aus seinem tristen Alltag bietet. Wenn da nicht Stiefvater Jens und der unheimliche Fremde wären, die plötzlich die sich so gut anlassende Geschichte auf spannende Weise aufmischen … Und nun entwickelt sich alles derart fulminant, dass es schwer fällt, das Buch vor dem Ende zur Seite zu legen.
Stil und Wortschatz sind der Zielgruppe, Kindern der dritten bis fünften Klasse, angepasst. Für sie lässt sich das in übersichtliche Kapitel eingeteilte Buch problemlos lesen und verstehen. Die Schrift - übrigens eine Serifenschrift - hat eine komfortable Größe, sodass die Ausdauer der Kinder nicht durch zu eng bedruckte Seiten beeinträchtigt wird. Jedes Kapitel wird von einer liebenswerten Bleistiftzeichnung illustriert. Musikkenntnisse sind nicht vonnöten: Die Leser lernen während der Lektüre die Bauteile einer Geige und deren Funktion kennen und erhalten eine Idee davon, wie tröstlich Musik sein kann.
Dass in einem Buch für Grundschüler der Alkoholismus thematisiert wird, ist eher ungewöhnlich, aber Kinder in diesem Alter wissen darüber üblicherweise Bescheid und können umso besser nachvollziehen, wie Jens’ Familie leidet, wenn er sie vor allem in betrunkenem Zustand schikaniert. Es wäre vielleicht jedoch dem Verlangen der angesprochenen Altersklasse nach einem rundum guten Ende eher entgegengekommen, wenn der versöhnliche Schluss noch eine Abwendung des Stiefvaters vom Trinken beinhaltet oder zumindest in Aussicht gestellt hätte.
Diese für Mädchen und Jungen gleichermaßen geeignete Geschichte, ein packendes und originelles Abenteuer mit Krimielementen, ist rundum zu empfehlen: Die spannende Handlung fesselt, zugleich werden die Leser für Probleme anderer Kinder sensibilisiert und lernen, dass Mut und Erfindungsgabe in den meisten scheinbar ausweglosen Situationen neue Wege eröffnen.