Neben den fantastischen und ungemein intensiven Leseerlebnissen, die die Bücher des deutschen Bestseller-Autors Kai Meyer ihrem Leser bieten, ist es auch das Tempo, mit dem der Schriftsteller Romane nachlegt, das sehr zu beeindrucken weiß. Vor allem bei den Trilogien Kai Meyers erweist sich das als Vorteil, denn wo man normalerweise oft ein Jahr oder sogar länger auf eine Fortsetzung warten muss, da dauert es bei Kai Meyer nur sechs Monate. Und so konnte der gespannte Leser bereits im Frühjahr 2007 den zweiten Band der "Wolkenvolk-Trilogie" in Händen halten: "Lanze und Licht".

Eigentlich sollte der junge Niccolo unterwegs sein, um den wertvollen Drachenatem zu beschaffen, der der Wolke, auf welcher sein Volk seit Jahrhunderten lebt, wieder Festigkeit verleihen kann. Denn diese droht aufgrund des auf mysteriöse Weise verschwundenen Aethers in den Abgrund zu stürzen. Doch stattdessen hat sich Niccolo an die Fersen der schönen Xian-Schülerin Mondkind geheftet, der er in unsterblicher Liebe verfallen ist, seit sich das Mädchen seiner Lebenskraft bedient hat. Der Junge weiß, dass er Mondkind töten muss, um das Weiterbestehen der Welt zu sichern, denn die Xian-Schülerin hat bereits fünf der acht Unsterblichen umgebracht. Und da die Xian einst von den Göttern auserwählt wurden, um das Gleichgewicht auf der Erde zu gewährleisten, gerät die Welt nun zusehends aus den Fugen. Doch wie soll Niccolo jemanden töten, den er über alles liebt, und von dem er weiß, dass sie ebenso für ihn empfindet?
Derweil sind Nugua und der Xian Li unterwegs zum mysteriösen Drachenfriedhof, da sie sich dort einen Hinweis auf den Verbleib der verschwundenen Drachen erhoffen. Denn nur der mächtige Yaozi, König der Drachen und Ziehvater Nuguas, kann dem Mädchen noch helfen, nachdem sie der Fluch der purpurnen Hand getroffen hat. Nuguas verbleibende Lebenszeit ist knapp bemessen, doch auf dem Drachenfriedhof begegnen das Mädchen und der Xian keineswegs den erhofften Drachen, sondern dem unersättlichen Seelenschlund, einem Monstrum, das besonders begierig darauf ist, Li zu verschlingen ...
Auch die Schwertmeisterin Wisperwind und ihr tollpatschiger Gefährte Feiqing begegnen auf ihrer Reise zahlreichen Gefahren. Ihre Suche nach der Erinnerung Feiqings führt sie schließlich zu einem Hafen der Geheimen Händler, einem Volk, das mit seinen Schiffen den Himmel kreuzt und überall auf der Welt Handel treibt. Und die Geheimen Händler scheinen sich nicht sonderlich über Feiqings unerwartetes Auftauchen zu freuen ...

Nach "Seide und Schwert" vermag Kai Meyer es ein weiteres Mal, seinen Leser in die mythische Welt des alten China zu entführen, das nicht nur durch die lebhaften und detailverliebten Beschreibungen des Autors, sondern auch dessen Stil an Plastizität und Atmosphäre gewinnt und vor dem inneren Auge des Lesers zum Leben erweckt wird. Die Geschichte spinnt den Faden dort fort, wo der Autor seinen Leser am Ende des ersten Bandes zurückgelassen hat und gliedert sich dieses Mal in drei verschiedene Handlungsstränge, die dem Verlauf der Erzählung zur Abwechslung verhelfen. So folgt man zum einen Niccolo und Mondkind auf ihrer emotional sehr intensiven Reise, zum anderen begleitet man Nugua und Li auf ihrer gefährlichen Suche und sucht gemeinsam mit Feiqing und Wisperwind nach Antworten auf die geheimnisvollen Fragen nach der Herkunft des tollpatschigen Drachenmenschen. Das Schöne an all diesen Charakteren und ihren unterschiedlichen Aufgaben und Reisen ist, dass jede Figur auf ihre Weise dazu beiträgt, der Geschichte einen besonderen Aspekt zu verleihen. So sorgt zum Beispiel Niccolo für emotionale Tiefe, während Feiqing durch seinen unterhaltenden Charakter Humor einbringt und Li und Wisperwind einen Hang zu philosophisch angehauchten Fragen und Antworten haben. Auf diese Weise verweben sich all die Eigenschaften der Figuren zu einem komplexen Teppich, der eine interessante und spannende Grundlage für die Handlung bietet. Und die kann gleichermaßen gefallen, denn erneut gelingt es Kai Meyer, zahlreiche fantastische und außergewöhnliche Ideen in den Verlauf seiner Geschichte einzuflechten und dabei auch auf asiatische Mythen und Sagen zurückzugreifen. So wird "Lanze und Licht" zu einem abwechslungsreichen, atmosphärischen, vielfältigen und spannendem Abenteuer, das dennoch eine innere Ruhe ausstrahlt, die hervorragend zur Grundstimmung der Handlung passt.

Fazit:
Der zweite Band der "Wolkenvolk-Trilogie" ist ruhiger als sein Vorgänger, doch ebenso intensiv und spannend. "Lanze und Licht" bietet viele ungewöhnliche und in dieser Form noch nie dagewesene Ideen und überzeugt durch eine abwechslungsreiche Handlungskomposition.

Hinweis:
Der dritte und abschließende Band der "Wolkenvolk-Trilogie" wird im Juni 2007 unter dem Titel "Drache und Diamant" erscheinen.