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Man könnte eine Tunte als Mann beschreiben, der seine Weiblichkeit frei auslebt, aber damit würde man ihr nicht wirklich gerecht werden. Hinter Tunten steckt viel mehr, jede definiert sich selbst und ist (wie Charlotte von Mahlsdorf schon sagte) ihre eigene Frau. In "Die Diva ist ein Mann - Das große Tuntenbuch" kommen Dutzende von Tunten selbst zu Wort und beschreiben, wie sie sich selbst sehen und was sie ausmacht. Dadurch ist ein ausgesprochen authentisches Werk entstanden.
Der Herausgeber Patrick Hamm hat eine Menge an Material zum Thema zusammengetragen. Hier findet man Interviews, Berichte, Fotos, Selbstbeschreibungen, Zeichnungen, Zitate, Top-Ten-Listen, Liedtexte und vieles mehr. Der erste, rein äußerliche, Eindruck, den man beim Durchblättern bekommt, ist, dass man in eine schillernde, bunte und immer lustige Welt eintaucht, dieser Eindruck wird aber beim Lesen widerlegt, denn die Beiträge sind durchweg sehr ernst gehalten und oft mit politischem Hintergrund. Somit passen die Erscheinung des Buches und sein Inhalt nicht komplett zusammen, trotzdem lohnt sich ein Kauf, weil es kein vergleichbares Werk zum Tuntentum gibt. Außerdem zieht die schrille Aufmachung vielleicht auch Käufer an, die dem Thema sonst nicht zugänglich wären. Und mal ehrlich, ergeht es uns nicht genauso, wenn wir eine Tunte treffen? Wir sehen zuerst nur eine Person, die uns irgendwie schrill und außergewöhnlich erscheint, wenn wir uns aber mit diesem Menschen unterhalten und versuchen, ihn zu verstehen, stellen wir fest, dass meist jemand sehr Ernstes und Tiefgründiges dahinter steckt.
Gleich im ersten Teil des Buches klärt uns Sven Glawion darüber auf, dass es DIE Tunte gar nicht gibt. Er beschreibt ihre verschiedenen Facetten und macht die Einzigartigkeit jeder einzelnen Tunte deutlich. Klaus Purkart erzählt, woher der Ausdruck Tunte überhaupt kommt. Sehr persönlich wird es, wenn es um einzelne Personen geht, so findet man hier ein Interview mit Lady Bunny aus New York (geführt von Kaey Tering) und eins mit Quentin Crisp oder Berichte über Dame Edna und Ichgola Androgyn. Sehr bewegend ist auch der Nachruf auf Ovo Maltine, der von ihrem Leben und ihren Zielen berichtet.
Margot Schlönzke schreibt über ein wichtiges Event, bei dem sich jedes Jahr Tunten und Transgender (also Menschen, die sich keiner festen Geschlechterrolle zuordnen lassen) aus ganz Deutschland und vielen anderen Ländern treffen: Wigstöckel. Dieses Festival hat sich 1996 aus der New Yorker Entsprechung Wigstock entwickelt und findet seitdem jährlich in Berlin statt. In verschiedenen Liedtexten wird deutlich, wie schwer es Tunten immer noch in der Gesellschaft haben und das sogar innerhalb ihrer Szene. Als Beispiele seien hier "Why" von BeV StroganoV und "Tunten zwecklos" von Pelle Pershing genannt. In "Nach Priscilla" finden wir eine "Chronik der Tunte im Kino der letzten zehn Jahre" von Claus Rabe. Besonders interessant ist hier der Film "Tunten lügen nicht" von Rosa von Praunheim, der das Leben von vier Berliner Tunten biografisch darstellt. Aber auch Kinoerfolge wie "Der Schuh des Manitu" haben in diesem Artikel ihren Platz gefunden.
Das Tuntenbuch stellt vor allen Dingen deutsche Tunten und ihre Arbeit vor, wie zum Beispiel "die Schwestern der Perpetuellen Indulgenz", die in vielen deutschen Städten zu finden sind, aber es gibt auch Berichte zu Tunten in anderen Ländern, zum Beispiel zu den Ladyboys in Thailand. Die verschiedenen Top-Ten-Listen, die dem Leser das tuntigste Tier, die beliebtesten Tuntenwitze oder Hits und Hymnen vorstellen, peppen das Buch zwar auf, erscheinen aber größtenteils nur albern. Oft fehlen hier auch Quellenangaben, wodurch sie nicht sehr glaubwürdig wirken.
Auf jeder Seite dieses Bandes sieht man unten einen rosafarbenen Streifen. Hier sind Interviews mit Tunten aus ganz Deutschland zu finden. Der Fragenkatalog war umfangreich, so gibt es zum Beispiel das erste Playback, den Sinn des Tuntendaseins, Vorbilder und bewegende Ereignisse im Leben der Befragten. Die Antworten sind mal länger und mal kürzer ausgefallen, mal lustig und mal voller Ernst, je nach Person. Auf jeden Fall bieten sie einen guten Überblick über das Selbstbild der modernen Tunte. Beim Lesen stellt man unter anderem fest, dass vielen ein politischer Hintergrund und Toleranz wichtig sind.
Fazit: Das große Tuntenbuch "Die Diva ist ein Mann" wird wahrscheinlich hauptsächlich von der Szene gelesen, dabei ist es durchaus für ein breites Publikum geeignet. Zahlreiche Fotos und verschiedenste Texte stellen die Vielfalt von Tunten und ihrer Welt vor. Perfidia sagte "Ich bin ein Gesamtkunstwerk" und genau das ist auch dieses Buch, darum sei es jedem aufgeschlossen Leser sehr ans Herz gelegt.