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Nachdem in letzter Zeit erstaunliche viele Spin-Offs über die titelgebende Figur aus J. M. Barries Kinderbuchklassiker "Peter Pan" erschienen sind ("Peter und die Sternenfänger", "Peter und die Schattendiebe", "Peter Pan und der rote Pirat"), wendet sich der Drehbuchautor J. V. Hart in seinem Roman-Debüt dem Kontrahenten des fliegenden Jungen zu und erzählt "Die wilden Abenteuer des jungen Capt'n Hook".
Schon sein Leben lang leidet der junge James Matthew B. darunter, als unehelicher Sohn eines englischen Lords geboren worden zu sein. Die Beschimpfung "Bastard" gehürt bereits zu seinem Alltag. Daran ändert sich auch nichts, als sein Vater - den James insgesamt vielleicht vier oder fÜnf Mal zu sehen bekommen hat - entscheidet, ihn in das Elite-College Eton zu schicken; im Gegenteil: "James Matthew Bastard", so haben es einige Schmutzfinken schon am ersten Tag seines Aufenthalts in Eton an die Wand seines Zimmers geschmiert. Besonders mit dem Colleger Arthur Darling hegt der Neuankömmling von Beginn an eine harsche Rivalität. Doch James hat ein ausgeprägtes Selbstbewusstsein und erträgt all die Beleidigungen und Beschimpfungen scheinbar gelassen, reagiert mit bloßstellenden Entgegnungen und frisst die größte Wut in sich hinein - immer mit dem Hintergedanken, sich irgendwann für alles rächen zu können. James' einziger Freund ist Roger, dem er aufgrund seiner Fröhlichkeit bald den Beinamen "Jolly" verleiht. Doch "König Jas.", wie sich James selbst zu nennen beginnt, gewinnt auch immer mehr andere Anhänger, besonders, nachdem er die Mannschaft der Oppidaner beim Mauerspiel erfolgreich zum Sieg Über die Colleger geführt hat. Außerdem trifft sich James heimlich mit der Sultanstochter Anna Nova, die fasziniert ist von dem blassen Jungen mit der schwarzen Lockenmähne. Doch als diese Annäherungsversuche schließlich auffliegen, verliert James nicht nur seinen Schulplatz, sondern wird von seinem Vater auch noch zu sieben Jahren Arbeit auf der "Meerhexe", einem Handelsschiff des Lords, verdonnert. Doch das ist das beste, das König Jas. je passieren konnte ...
Eigentlich sollte sich der amerikanische Autor J. V. Hart, der mit "Die wilden Abenteuer des jungen Capt'n Hook" sein Debüt als Schriftsteller vorlegt, bestens mit der Materie "Capt'n Hook" auskennen - schließlich war er es, der das gelungene Drehbuch zu Steven Spielbergs erfolgreicher Kinoverfilmung "Hook" verfasst hat. Dennoch erkennt man in dem kaltherzigen, scheinbar gefühllosen James nichts von jenem Piratenkapitän wieder, der später einmal erbitterter Widersacher des jungen Peter Pan werden soll. Natürlich - "Jas." ist kaltblütig, zeigt keine Gnade und ist unberechenbar, doch könnte man seinen Namen gut und gerne durch jeden anderen ersetzen und hätte dann eine ganz normale - und nicht sonderlich gelungene - Geschichte, die nichts mehr mit dem Klassiker "Peter Pan" gemeinsam hätte. Was noch mehr verwundert, ist, dass die anfängliche Antipathie, die man als Hörer fÜr James empfinden muss, gegen Ende sogar in Sympathie umschlägt - dann nämlich, wenn der Junge nicht nur Gottesfurcht, sondern auch Mitleid mit ungerecht behandelten Menschen zeigt. Er verabscheut schlechte Menschen, setzt sich für die Rechte anderer ein und riskiert sogar sein Leben, um das anderer zu retten. Ist das der Capt'n Hook, wie man ihn aus J. M. Barries Kinderbuch kennt? Definitiv nicht. Und zwar nicht einmal ansatzweise.
Auch die Geschichte selbst gibt viel Raum für Kritik. Dazu braucht man lediglich die einfache Frage zu stellen: Was erwartet man von einem Roman Über den jungen James Hook? Die Antwort ist schnell gefunden: wilde Abenteuer auf hoher See, Verfolgungsjagden, Säbelkämpfe, das raue Piratenleben. Stattdessen aber spielt "Die wilden Abenteuer des jungen Capt'n Hook" die meiste Zeit Über in Eton - ein nicht sonderlich spannendes oder interessantes Abenteuer für jemanden von James' verwegenem Schlag, auch wenn der psychische Kampf, den der Junge auszutragen hat, durchaus ansprechend geschildert wird. Erst das letzte Fünftel der Erzählung, sprich die letzten 80 Minuten, bieten das, worauf man als Hörer bis dahin vergeblich gehofft hat: einen spektakulären und rasanten Showdown auf offener See, mit einer Meuterei und Kämpfen, der Pest, Sklaven und rauen Seebeinen. Doch das vermag die gesamte Geschichte dann auch nicht mehr rauszureißen.
Die Romanvorlage von J. V. Hart bietet dem Sprecher Stefan Kaminski, der "Die wilden Abenteuer des jungen Capt'n Hook" in einer autorisierten Hörbuchfassung vorträgt, leider nicht die Möglichkeit, seine Sprechkünste voll zu entfalten. In Lesungen wie "Septimus Heap - Magyk" hat Kaminski seine sprecherische Bandbreite eindrucksvoll unter Beweis gestellt, im vorliegenden Hörbuch jedoch steht er vor dem Problem, dass die Charaktere einfach nicht mehr hergeben als verschiedene Nuancierungen. Auch hier ist es wieder erst das letzte Fünftel, in welchem sich der Sprecher mit all den verschrobenen, neu eingeführten Figuren schließlich doch noch gekonnt austoben kann.
Fazit:
Mit dem Hook, den der Leser und Hörer aus "Peter Pan" kennt, hat James Matthew B. alias König Jas. kaum etwas gemeinsam, zumindest am Ende des vorliegenden Hörbuchs. Auch die Geschichte selbst erweist sich als eher langatmig, da sie zum Großteil das College-Leben des Jungen und dessen Rivalität mit Arthur Darling beschreibt. In die im Titel erwähnten "wilden Abenteuer" gerät der junge James enttäuschenderweise erst am Schluss des Hörbuchs.