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Physik muss keine bierernste Angelegenheit sein, vor allem jedoch lassen sich ihre Gesetze auf die unterschiedlichste Art und Weise allgemeinverständlich darstellen. Wiebke Salzmann hat für die Zeitschrift "Physik in unserer Zeit" eine Reihe physikalischer Kurzgeschichten verfasst, die nun in Buchform vorliegen.
Die Protagonisten sind Gott höchstpersönlich, Luzie, mehr oder weniger seine teuflische Gegenspielerin, die es explosiv mag, sowie Gottes geflügelte Assistentinnen Gabriela, zuständig für Experimente, und Michaela, die sich eher für Philosophie und ganzheitliche Lebensführung interessiert. Nicht zu vergessen den fleißigen Gehilfen Laplacie, die Verkörperung des so genannten Laplaceschen Dämons (eine hypothetische Figur, die fähig sein sollte, Ort und Geschwindigkeit aller Atome und Moleküle im Universum zu einem bestimmten Zeitpunkt anzugeben, und die durch die Quantenphysik widerlegt wurde).
Gott hat Lust darauf, die Erde zu erschaffen, vor allem, weil er gern Nashörner und Bakterien beobachten würde. Seine Assistentin Gabriela als vorzügliche Experimentalphysikerin soll ein entsprechendes Universum als Rahmen für diese Erde herstellen. Da sie eigentlich sehr puristisch ist, muss Gott ab und zu ein bisschen schummeln und manipulieren, damit ihre Experimente zu den passenden Naturgesetzen führen. Auch Michaela, das Gegenstück zu Gabriela, und Luzie mischen Gabrielas sich entwickelndes Universum gelegentlich auf, sodass recht viel Abwechslung in die Natur kommt.
Schon bald nach dem Urknall entwickeln sich so in Gottes Labor zahlreiche Elementarteilchen und aus ihnen die unterschiedlichsten Atome. Zum Entsetzen des Laplaceschen Dämons bringt Gottes Befehl "Es werde Licht!" die Quantentheorie ins Spiel und damit das Ende jeder Voraussagbarkeit von Zuständen kleinster Teilchen. Ein wenig erholen darf sich der Arme erst, als er beobachten kann, was man mit den verschiedenen Elementen und Isotopen so alles anstellen kann, aber schon die Radioaktivität enthält wieder Quanteneffekte ...
Und so geht es weiter. Der Leser erfährt, was es mit elektrischer Leitfähigkeit, Isolatoren, Halbleitern, Dioden, Transistoren und anderen Aspekten des Elektromagnetismus auf sich hat, wie die Suprafluidität des Heliums zu erklären ist, warum die Kernfusion auf Erden nicht recht funktioniert, wie Sterne entstehen und vergehen und vieles mehr. Am Ende liefert die Quantentheorie eine Lösung für die chronische Zeitnot des Weihnachtsmanns, allerdings nicht ganz ohne psychische Nebenwirkungen.
Die zweiundzwanzig turbulenten Kurzgeschichten machen die Grundlagen der Physik auf ausgesprochen originelle Art und Weise verständlich. Atome, die aufeinander losgehen und einander skrupellos Elektronen entreißen, ausdauernd im Leitungsband joggende Elektronen, Auftritte von Schrödingers Katze, die sich nicht recht entscheiden kann, ob sie tot oder lebendig ist, der Schnellkochtopf als Nebenprodukt der Gasgesetze und so weiter: in Wiebke Salzmanns außerirdischem Schöpfungslabor ist immer etwas los. Vorkenntnisse über das hinaus, was von der Schulphysik "hängen" geblieben ist, sind zur Lektüre nicht erforderlich, wenngleich sich dem Naturwissenschaftler eine Fülle von witzigen Anspielungen präsentiert, die dem Laien vermutlich zum größten Teil verborgen bleiben. Das macht aber nichts, amüsieren wird sich jeder Leser - und eine Menge lernen, sofern er nicht vom Fach ist, ob es sich nun um die Funktion eines Elektromotors oder eines Kernkraftwerks (einschließlich Risikoeinschätzung) handelt.
Was Gottes Assistentinnen und Laplacie unternehmen, würde aufgrund der widersprüchlichen Interessen und Philosophien der Protagonisten nicht unbedingt zu dem Universum führen, das wir kennen, aber Gott als kompetenter und zielorientierter Chef zieht doch immer, meist heimlich, die Strippen, damit am Ende seine Nashörner und Bakterien möglich werden. Die humorvollen Einfälle der Autorin zur Illustration der dazu notwendigen Naturgesetze anhand der Geschichten tragen bereits zum Verständnis bei. Kurz und bündig, dennoch sehr anschaulich werden die entsprechenden Hintergrundinformationen in Infokästen angeboten, oft von Skizzen begleitet, die beispielsweise die Halbleitertechnik vorzüglich wiedergeben. Der Leser repetiert mit diesem Buch zwar nicht sämtliche Grundlagen der Physik, doch er erhält einen fundierten Überblick über die Gesetzmäßigkeiten, die für die Entwicklung des Universums seit dem Urknall von größter Bedeutung sind, sowie über technische Aspekte, die sich anhand dieser Gesetze auftun.
Ob Gott nun tatsächlich mitgemischt hat oder nicht, die Autorin vermag es, auf mitreißend spannende und humorvolle Weise darzulegen, wie unser Universum entstanden ist und was es zusammenhält, welche Gesetze für sein komplexes Erscheinungsbild verantwortlich sind und wo die Grenzen der Erkenntnis für uns liegen. Physik ist, wie bereits festgestellt, keineswegs eine trockene Angelegenheit, und dieses Buch zeigt ganz ungezwungen und in einem überschaubaren Rahmen, wie sehr wir und unsere Welt ihrem Einfluss unterliegen.