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Stellen Sie sich einmal vor, Sie kommen in ein Cafe und treffen dort diese junge Frau, die Ihnen äußerst lebhaft, charmant und vor allem sehr unterhaltsam erzählt, wie ihre Zeit in Paris verlaufen ist. Wären Sie interessiert?
Nun, nicht jeder von uns kann Silja Ukena in einem Cafe treffen - aber wir können von ihren Erlebnissen lesen, in ihrem Buch "Ein Jahr in Paris".
Kurz nach dem dreißigsten Geburtstag ist sie da, die Erkenntnis, dass da noch etwas sein muss. Also packt unsere Erzählerin ihre Koffer und macht sich auf nach Paris. Zunächst bei Bekannten untergekommen, muss sie jedoch bald erkennen, dass sie noch viel zu lernen hat, wenn sie wirklich in Paris ankommen will. Sie besucht also einen Sprachkurs, macht sich auf die mörderische Suche nach einer eigenen Bleibe, findet schließlich auch noch einen Job, um diese zu finanzieren, und lernt die Geheimnisse des Subjonctif kennen und was es bedeutet, eine echte Pariserin zu sein.
Dabei wird ihr klar, dass Paris einen Traum darstellt, der um vieles subtiler und schwerer zu erreichen ist, als der, den New York bedeutet. Nach New York kommen die Menschen, um erfolgreich zu sein. In Paris dagegen genügt es nicht, reich zu sein, um anerkannt zu werden. Die Stadt ist hart, sie zeigt Neuankömmlingen gerne ihre Klauen und Zähne - aber irgendwann merkt man, dass man dazugehört, ein echter Pariser geworden ist. Damit hat man etwas erreicht, auf das man stolz sein kann, selbst wenn der Traum von Paris nicht ewig hält.
All das erzählt Silja Ukena auf ihre eigene, liebeswerte und sehr gewitzte Art und Weise. Ihr Stil ist raffiniert und zieht den Leser sofort in seinen Bann. Man wird vom ersten Augenblick an in die Stadt versetzt, die die Autorin vor das innere Auge des Lesers zaubert.
Die zwölf Kapitel erzählen jeweils einen Monat nach, von Mai bis April. Wirklich gelungen sind dabei die kleinen Zusammenfassungen, die am Anfang der Kapitel erzählen, was den Leser erwartet. Durch die Erkenntnisse und Aufgaben des Monats kommt zudem der Witz der Autorin glänzend zur Geltung. Dasselbe gilt auch für Fußnoten, die schon mal mit einer Entschuldigung an die Person enden, deren Redefluss weiter oben im Text unterbrochen wurde.
Ebenso unterhaltsam und auch etwas lehrreich sind die Infokästen am Ende jedes Kapitels, die uns "Französisch für Anfänger" beibringen. So lernt man, dass Franzosen ohne Punkt und Komma reden können oder Abkürzungen so lieben, dass jeder Nicht-Muttersprachler über kurz oder lang mal eine der Bedeutungen nachschlagen muss.
Für Frauen dürfte in diesem Zusammenhang auch "Französisch für Anfängerinnen" interessant sein. Hier erfährt man in zwei Teilen kleine Geheimnisse der Stadt der Liebe.
Im Laufe des Buches lernt der Leser nicht nur eine Menge über das Leben in Paris - über die Metro, den Wohnungsmarkt, die Viertel und, nicht zu vergessen, die Pariserin an sich. Die Autorin speist viele literarische Referenzen in ihre Erzählung ein und regt den Leser so an, Paris auch als eine literarische Stadt kennen zu lernen.
"Ein Jahr in Paris" ist sicher keine typische Reiseliteratur. Es geht hier nicht darum, schöne oder interessante Plätze vorzustellen - obwohl man auch einige davon in diesem Buch findet. Hier wird Paris als Ganzes, als Nabel der Welt und als Mikrokosmos dargestellt. Und das so charmant und witzig, dass man das Buch gar nicht mehr aus der Hand legen kann. Jedem, der Paris mag oder es noch kennen lernen will, sei dieses Buch wärmstens empfohlen. Besonders, wenn man nicht nur über einen Urlaub, sondern über einen Umzug in dieses selbsternannte Zentrum der Welt nachgedacht hat.